Weniger Hausärzte im Saalekreis Landärztin aus Überzeugung: Medizinerin gibt Praxis bei Querfurt nach 43 Jahren ab
Dagmar Duscha weiß, was eine gute Landärztin können muss. 43 Jahre hat sie ihren „Traumberuf“ in Barnstädt ausgeübt. Nun hört sie auf, weil sie einen Nachfolger für ihre Praxis gefunden hat. Doch nicht überall gelingt der Generationswechsel. Dabei stehen viele Mediziner im Saalekreis vor der Rente.
Barnstädt/MZ. - Irgendwann muss man selbst den Traumberuf an den Nagel hängen. „Man muss sich vor Augen führen, dass man das mit 80 oder 90 nicht mehr machen kann. Man muss sich ja weiterbilden, körperlich fit sein. Ab einem gewissen Alter braucht der Körper einfach mehr Erholung“, begründet Dagmar Duscha, warum sie zum 1. April nach 43 Jahren Schluss gemacht hat mit ihrem Traumjob. So hat die Barnstädterin ihre Arbeit als Landärztin einmal bezeichnet. Ein Urteil, an dem sie auch zum Abschied nicht rütteln will. „Ich habe einen supertollen Beruf und kann mir nichts Besseres wünschen. Ich würde das immer wieder machen.“
Am 1. Oktober 1980 kam die von Rügen stammende Medizinerin erstmals in das Dorf im Weida-Land, um eine Sprechstunde abzuhalten. Damals steckte sie in der Facharztausbildung zur Allgemeinmedizinerin. Als sie fertig war, übernahm sie die Praxis, bot phasenweise noch eine Sprechstunde in Nemsdorf an. Heute kommen pro Quartal 1.300 bis 1.500 Patienten aus Barnstädt, aber auch aus dem weiteren Umland in die Praxis, einige mehrfach.
Nachfolger arbeitete im Klinikum
Die stehen auch nach dem 1. April nicht im Regen: „Mir war wichtig nach 43 Jahren nicht einfach die Tür abzuschließen“, sagt Dagmar Duscha, die auf dem Papier seit zwei Jahren Rentnerin sein könnte. Sie hat sich Zeit aber genommen für einen geordneten Praxisübergang und hat sich mit Jahren Vorlauf einen Nachfolger gesucht. Michael Körner heißt der 42-Jährige. Den Patienten dürfte er mittlerweile vertraut sein. Seit 2020 arbeitet er in der Praxis mit, hat seither seine zweite Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner absolviert. Die erste hat er als Chirurg. Als solcher arbeitete er im Klinikum. „Irgendwann hat sich aber meine Lebenssituation geändert und ich habe eine Alternative gesucht.“ Die Nachtarbeit, die Bereitschaftsdienste, die Hierarchie davon habe er genug gehabt.
Bisher ist Körner mit seinem Wechsel zum Landarzt zufrieden. „Man hat hier auch von früh bis spät zu tun, aber es ist ein anderes Arbeiten. Es ist abwechslungsreich und man hat ein enges Verhältnis zu den Patienten. Das ist als Chirurg nicht so. Da hofft man eher, dass man die Patienten nicht wieder sieht.“ Mit wechselndem Klientel wird der Mediziner aber allerdings weiterhin in einem Teilbereich seines Schaffens zu tun haben. Schließlich ist er Leitender Notarzt im Kreis und will die Funktion auch weiter ausüben.
Versorgungsgrad im Saalekreis sinkt
Während der Generationswechsel in Barnstädt gelungen ist, gibt es dafür keine generelle Garantie. Im südlichen Saalekreis ist die Zahl der besetzten Hausarztstellen in den vergangenen fünf Jahren um 5,25 geschrumpft. Laut Kassenärztlicher Vereinigung (KV) beträgt der Versorgungsgrad zwischen Querfurt und Günthersdorf nur noch 92,2 Prozent. Im nördlichen Saalekreis liegt er bei lediglich 87,9 Prozent. Zur rechnerischen Vollversorgung bräuchte der Kreis 13 Hausärzte mehr. Ein Grund zur Sorge seien diese Versorgungsgrade aber noch nicht, ordnet KV-Sprecherin Heike Liensdorf ein. „Aber eine etwas angespannte Versorgungslage muss erwartet werden.“
Der Generationswechsel ist ein großes Thema für die KV. Landesweit sind knapp 40 Prozent der Hausärzte 60 Jahre und älter. Im Saalekreis werden in den kommenden zehn Jahren 48 der derzeit 112 aktiven Hausärzte (43 Prozent) 65 Jahre alt. Ein Alterslimit für eine eigene Praxis gibt es nicht. Deshalb ist es für die KV schwer zu prognostizieren, wann wo wieviele Nachfolger benötigt werden. Da Studienanfänger aber mindestens 12 bis 13 Jahre bräuchten, bis sie als Fachärzte zur Verfügung stehen, sieht die Vereinigung die Situation im Land jedoch mit Besorgnis. Die 2020 eingeführte Landarztquote, durch die 25 Medizinstudienplätze an junge Menschen vergeben werden, die sich verpflichten, danach im ländlichen Sachsen-Anhalt zu arbeiten, sei ein wichtiger Schritt gewesen. „Leider entsteht dadurch aber kein einziger Studienplatz“, kritisiert Liensdorf. Doch genau das ist die Forderung der KV: Die Gesamtzahl der Medizinstudienplätze soll erhöht werden.
Was braucht eine gute Landärztin?
Vielleicht sollten angehende Mediziner auch mit Duscha, selbst langjährige KV-Sprecherin für den Bereich Querfurt, unterhalten und sich von ihrer Euphorie für den Landarztberuf anstecken lassen. Die Barnstädterin weiß genau, was der verlangt: „Man muss es wollen. Man muss den Anspruch an sich stellen, dass man den Job gut machen will. Man braucht viel Empathie für die Patienten und Achtsamkeit für sich selbst, damit man nicht die Probleme auf der Arbeit zu seinen eigenen macht.“
Und natürlich brauche man ein gutes und gut ausgebildetes Team, sagt die Ärztin. Ihre drei bisherigen Mitarbeiterinnen sind zum April mit der Praxis zu Nachfolger Körner gewechselt. Der hat nun noch eine zusätzliche Angestellte: Dagmar Duscha. „Ich werde auf seinen Wunsch hin noch ein paar Stunden in der Woche mitarbeiten, um ihn zu unterstützen.“ Ganz hängt sie ihren Traumberuf also noch nicht an den Nagel.