Kunsthaus in Schieflage Kunsthaus in Schieflage: So soll die Willi-Sitte-Galerie gerettet werden

Merseburg - Im Dezember überschlugen sich die Ereignisse in der Willi-Sitte-Galerie in Merseburg. Mitte des Monats baten die Willi-Sitte-Stiftung und der Förderverein der Willi-Sitte-Galerie die Stadt, das Mietverhältnis der Galerie zu beenden. Und Ende Dezember wurde dann darüber informiert, dass die Willi-Sitte-Stiftung drei Gemälde des Künstlers verkauft habe. Zu beiden Schritten sah man sich aufgrund von akuten Finanzproblemen bei der Stiftung und dem Förderverein veranlasst.
Michael Finger, der Vorsitzende des Fördervereins der Willi-Sitte-Galerie, erklärt die Finanznot des Vereins vor allem mit den hohen Betriebskosten für das Haus, die sich jährlich auf 20.000 Euro belaufen. „Für einen gemeinnützigen Verein und seine ehrenamtlich tätigen Mitglieder ist das nicht mehr zu stemmen“, so Finger. Erschwerend komme hinzu, dass Sponsorengelder in der Vergangenheit immer spärlicher flossen.
Man stehe mit Oberbürgermeister Jens Bühligen (CDU) in Kontakt, um über die Zukunft der Galerie zu beraten. Es sei aber unstrittig, dass die Stiftung und der Förderverein in dem Haus bleiben können. „Wir sehen gute Chancen, die Galerie zu erhalten“, sagt Michael Finger. Der Förderverein plane, auch in Zukunft drei bis vier Ausstellungen pro Jahr in dem Gebäude zu zeigen: Auf zwei Etagen, so dass das Haus auch durch andere Institutionen genutzt werden könne.
Kooperation mit Domstiftern
Die Überlegung von Merseburgs OB Jens Bühligen, in das bislang allein von der Sitte-Galerie genutzte städtische Gebäude am Dom auch die Tourist-Information aufzunehmen, unterstütze auch der Förderverein, so Michael Finger. Ebenso wie den Vorschlag der Stadt, mit den Vereinigten Domstiftern darüber zu sprechen, ein Informationszentrum im Haus einzurichten, um Merseburg stärker mit dem Weltkulturerbe Naumburger Dom zu vernetzen. „Wir wollen das Haus gemeinsam mit den Domstiftern neu entwickeln. Im Februar wird es dazu ein Gespräch mit Holger Kunde, dem Direktor der Vereinigten Domstifter, geben“, sagt Merseburgs Oberbürgermeister.
„Außerdem könnte der Merseburger Domplatz ein Café gut vertragen. Das steht in der Sitte-Galerie zur Verfügung und müsste nur einen Pächter finden“, sagt Hans-Hubert Werner, der Vorsitzende der Willi-Sitte-Stiftung. Auch die ist - unter anderem durch aufzubringende Betriebskosten - in finanzieller Bedrängnis, weshalb man 2018 drei Sitte-Gemälde verkaufen musste. Ein Bild hat man an eine Galerie veräußert, zwei wurden beim Berliner Auktionshaus Lehr versteigert: „Liegende mit Radio“ (1985) brachte 8.000 Euro, „Liegender Akt mit Männerfragment“ (1992) 10.000 Euro.
Bevor die drei Werke verkauft werden konnten, brauchte man die Zustimmung der Stiftungsaufsicht beim Landesverwaltungsamt. „Dem Verkauf wurde zum Glück zugestimmt“, so Werner. Bei den Arbeiten handelt es sich um Motive, die von Sitte (1921-2013) mehrfach gemalt worden sind, so dass „der Stiftungsbestand keinen Substanzverlust erlitten hat“.
240 Gemälde im Bestand
Zum Bestand der Stiftung gehören laut Werner 240 Gemälde und mehr als 1.000 Handzeichnungen und Grafiken des Künstlers. Deren Gesamtwert wurde zur Gründung der Stiftung vor 15 Jahren auf drei Millionen Euro beziffert. „Drei Millionen, das klingt zwar erstmal viel, aber das Geld steckt ja in den Kunstwerken“, erklärt Werner. Und die schlagen monatlich allein mit einer Versicherungssumme von 750 Euro zu Buche. Dazu beteiligt sich die Willi-Sitte-Stiftung mit einem symbolischen Wert von 300 Euro an den monatlichen Mietkosten sowie mit einem kleineren Beitrag an den Betriebskosten.
„Unsere Stiftung führt derzeit informelle Gespräche mit der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt in der Hoffnung, die Willi-Sitte-Stiftung als unselbstständige Stiftung in die Kulturstiftung des Landes zu überführen“, sagt Werner. Die Verhandlungen sollen im ersten Halbjahr 2019 abgeschlossen werden. „Die Hoffnung ist groß, dass wir uns mit der Kulturstiftung einig werden und unter das Dach des Kunstmuseums Moritzburg in Halle kommen.“
Auch im Fall einer Überführung der Willi-Sitte-Stiftung bliebe Merseburg dennoch in den nächsten Jahren die Heimstatt der Galerie, ist sich Werner sicher. „Die Aufnahme der Willi-Sitte-Stiftung in die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt würde eine Aufwertung für die Sitte-Sammlung bedeuten. Aber wir in Merseburg sind ein guter Ausstellungsort - und werden es bleiben“, erklärt auch OB Bühligen.
Zu geringes Stiftungskapital
Die finanzielle Schieflage der Willi-Sitte-Stiftung habe, so ihr Vorsitzender, mindestens drei Gründe: Die Stiftung, deren Grundstock bei ihrer Gründung im Jahr 2004 genau 90 000 Euro betragen habe, sei nie mit ausreichend Kapital ausgestattet gewesen, um aus sich selbst heraus existieren zu können. Ferner habe die Stiftung, trotz entsprechender Anträge, nie eine institutionelle Förderung durch das Land erhalten, sagt der Stiftungsvorsitzende Werner. Nur Projekte wie etwa Ausstellungen seien hin und wieder durch Land und Bund gefördert worden.
Drittens fehlten - ähnlich wie beim Förderverein auch - Sponsorengelder. „Von der Gründung im Jahr 2004 an hatte die Willi-Sitte-Stiftung mehrere Jahre in Gazprom Germania einen wichtigen Großsponsor. Der hat sich aber aus der Kulturförderung weitgehend zurückgezogen“, sagt Werner.
Der Fördervereinsvorsitzende Michael Finger hofft nun, dass aufgrund der Aufmerksamkeit, die die finanziellen Schwierigkeiten dem Förderverein und der Stiftung bescherte, die nächste Ausstellung mehr Besucher in die Willi-Sitte-Galerie locken werde. Für den Förderverein hatten die negativen Schlagzeilen der letzten Wochen schon eine positive Folge: Man konnte sich, so Finger, über eine Handvoll neue Vereinsmitglieder freuen.
(mz)