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Kriegsgefangenenlager Merseburg-Süd Kriegsgefangenenlager Merseburg-Süd: So malten Gefangene ihr Leben

Von Undine Freyberg 09.11.2020, 09:30
Dass es im Lager nicht nur trocken Brot gab, malte Georges Roucou.
Dass es im Lager nicht nur trocken Brot gab, malte Georges Roucou. Landesheimatbund

Merseburg - Das war knapp. Doch mit ganz viel Abstand und nur wenigen Teilnehmern konnten sie ihr Buch doch noch präsentieren und waren auch ziemlich stolz darauf. Was Historiker Jan Stenzel, Romanistin Marie-Therese Mäder, Kunsthistoriker Christian Drobe und John Palatini vom Landesheimatbund zusammengetragen haben, hätte sich vor einigen Jahren kaum jemand vorstellen können.

Mit „Kunst im Lager“ liegt erstmals ein Buch vor, das mittels Fotos und Zeichnungen von Kriegsgefangenen aus dem Ersten Weltkrieg Einblicke in das Leben im Kriegsgefangenenlager in Merseburg-Süd gibt, von dem vermutlich selbst viele Merseburger lange nichts wussten.

Werke von fünf französischen Gefangenen

Die Werke von fünf französischen Gefangenen, die Kunst- oder auch Hobbymaler waren, machten es möglich, die unterschiedlichsten Facetten des Lebens dort zu zeigen. Da erinnern die Bilder aus dem Lager nicht etwa an Kriegsgräuel, wie man sie von Dokumenten aus dem Zweiten Weltkrieg kennt. „Man darf nicht vergessen, dass die Nazis Menschen gefangen genommen haben, um sie umzubringen. Das war im Ersten Weltkrieg ganz anders“, erklärt John Palatini, der Herausgeber des Buches, gegenüber der MZ.

Allerdings sei die Erinnerungskultur durch den Zweiten Weltkrieg überlagert. Natürlich mussten die Männer arbeiten - die Kriegsgefangenen haben zum Beispiel das Leuna-Werk mit aufgebaut. Es hat aber auch ein richtiges Lagerleben gegeben - mit Theateraufführungen, einer Zeitung, Fußballspielen und Gottesdiensten. Und für ihre Arbeit erhielten die Gefangenen wohl auch Geld und konnten sich dafür im Lager auch verschiedene Dinge kaufen.

Eindrücke in 40 Aquarellen und Kohlezeichnungen festgehalten

Zu denen, die das Leben im Lager auf Papier festhielten gehörte zum Beispiel der französische Soldat Emile Oudart, der aus der Nähe von Lille kam. Er hatte seine Eindrücke in 40 Aquarellen und Kohlezeichnungen festgehalten, die bereits 2018 Teil einer Ausstellung im Kulturhistorischen Museum Schloss Merseburg waren. Weitere Maler waren Prosper Saury, Ernest-Lucien Boucher, Georges Roucou und ein anonymer Maler, die alle in ihren ganz eigenen Stilen - teils romantisch, teils comichaft - Szenen aus dem Lagerleben festhielten.

Das reichte vom Essenfassen bis zum Friseurbesuch. Dort, wo einst das Lager war, befindet sich heute unter anderem eine Kleingartenanlage. In dem Gefangenenlager mit seinen 48 Baracken haben etwa 10.000 Gefangene gleichzeitig gelebt. Insgesamt sollen hier über die Kriegsjahre verteilt 40.000 Menschen aus aller Herren Länder untergebracht worden sein.

Buch „Kunst im Lager“ informiert über die Geschichte des Kriegsgefangenenlagers in Merseburg-Süd

Die Entstehung des Buches wurde vom Land, dem Landkreis Saalekreis, dem Merseburger Altstadtverein und der Landeszentrale für politische Bildung finanziell unterstützt.

>>Das Buch „Kunst im Lager“ informiert über die Geschichte des Kriegsgefangenenlagers in Merseburg-Süd, über das bis vor einigen Jahren kaum etwas bekannt war. Künstlerische Zeugnisse mehrerer Gefangener erlauben einen Einblick in das Lagerleben. Das Buch ist aktuell ausschließlich in der Dom- und Schlossinformation Merseburg erhältlich und kostet 15 Euro. (mz)

Ein fast romantisches Aquarell, das Emile Oudart vom Kriegsgefangenenlager gemalt hat.
Ein fast romantisches Aquarell, das Emile Oudart vom Kriegsgefangenenlager gemalt hat.
Landesheimatbund
Roucou konnte auch Charaktere malen.
Roucou konnte auch Charaktere malen.
Landesheimatbund
Jan Stenzel, Marie-Therese Mäder, Christian Drobe und John Palatini (v.l.) haben gemeinsam an dem Buch mitgewirkt.
Jan Stenzel, Marie-Therese Mäder, Christian Drobe und John Palatini (v.l.) haben gemeinsam an dem Buch mitgewirkt.
Katrin Sieler