Immer was zu tun Immer was zu tun: Die Tischlerei auf dem alten Rittergut Niederbeuna

Merseburg - In dem ehemaligen Schafstall des Ritterguts Niederbeuna ist es schön warm. Mischlingshündin Belia legt sich beruhigt wieder hin, nachdem sie den unbekannten Besuch bellend begrüßt hat. Tischler Thomas Erbert (55) steht an der surrenden computergesteuerten Kreissäge und schneidet Holz zu, während sein Sohn Philipp (28) ein paar Meter daneben gerade einen Stuhl repariert. „Für Oma“, sagt er und lächelt.
Die beiden sind ein Zwei-Mann-Betrieb. „Wir machen so ziemlich alles“, sagt Thomas Erbert. „Terrassen, Terrassendächer, Holztreppen, und wir bauen auch Türen und Fenster als fertige Bauelemente fachgerecht ein.“ Sie arbeiten für Privatleute, manchmal aber auch für die Industrie. Vor 20 Jahren habe er mal für jemanden aus der Nähe von Querfurt eine Tür getischlert und mittlerweile nahezu dessen ganzes Haus umgebaut.
Von der Treuhand gekauft
Der 55-jährige gelernte Bau- und Möbeltischler hatte sich im Jahr 2000 selbstständig gemacht. Er kaufte den um 1800 erbauten ehemaligen Schafstall des früheren Rittergutes Niederbeuna von der Treuhand. Seit 2004 nutzt er ihn als Werkstatt. Bevor es soweit war, mussten allerdings unzählige Tonnen Bauschutt und Sperrmüll rausgeräumt werden. „Der Stall stand neun Jahre lang leer. Irgendwie hatte hier beinahe jeder aus dem Dorf was abgeladen.“ Erbert schmunzelt.
An der Wand, die der Eingangstür gegenüber liegt, hängen jede Menge Werkzeuge, die Tischler früher für ihre Arbeit brauchten. „Die Sachen hatte meine Vater gesammelt. Der war auch Tischler“, erklärt der Chef. „Manche der Sachen sind schon über 100 Jahre alt.“ Ob es auch heute noch Sinn macht, einen Handwerksberuf zu erlernen? „Klar“, sagt Thomas Erbert. „Wenn man fleißig ist und auch mal am Wochenende arbeitet. Mein großer Vorteil ist zum Beispiel: Wenn ich Möbel brauche, bau’ ich mir welche. Da weiß ich, dass ich gute Qualität bekomme.“ Corona habe ihnen nichts anhaben können. „Wir hatten immer zu tun“, sagt Sohn Philipp, der gerade Papa der kleinen Hanna geworden ist. Das Wort Urlaub steht für die Männer im Fremdwörterbuch, fünf Tage seien pro Jahr drin, maximal zehn.
„Der Vater meiner Frau war Neubauer"
Thomas Erbert, der ursprünglich aus Frankleben stammt, hatte für sich und seine Familie die ehemalige Scheune des Ritterguts zum Wohnhaus umgebaut. „Der Vater meiner Frau war Neubauer. Er und seine Frau hatten das Grundstück 1945 im Rahmen der Bodenreform bekommen. Die Urkunde darüber ist etwas ganz besonderes. Die haben wir noch.“
Das ehemalige Rittergut besteht aus mehreren Grundstücken. Aus den ehemaligen Gesindehäusern und früheren Stallungen sind schon längst Einfamilienhäuser und Wohnungen geworden. Allein das frühere Herrenhaus, dessen alte Mauern aus der Zeit um 1500 zu DDR-Zeiten größtenteils überputzt worden waren, ist unbewohnt.
Der Sitz der „Vampires“
Was offenbar fast jeder im Dorf weiß: Dieses Haus war mal das Domizil der „Vampires“. 20 bis 30 Biker trafen sich hier regelmäßig am Wochenende. Der Chef der Rockergang, Herbert Th. war 2003 wegen Mordversuchs zu 14 Jahren Haft verurteilt worden, weil er den Bombenanschlag gegen das Merseburger „Desperado“ initiiert hatte, bei dem am 27. Juni 1999 etwa 20 Menschen zum Teil schwer verletzt worden waren. Eine junge Frau hatte damals beide Beine verloren.
Das Rittergut Niederbeuna wurde erstmals am 4. März 1004 in der Schenkungsurkunde von König Heinrich II. an das Bistum Merseburg mit dem Namen „Bunivua“ erwähnt. Zuvor war es im Besitz der römisch-deutschen Kaiser aus dem Hause der Liudolfinger. Bunowe, so die Bezeichnung von Niederbeuna im 12. Jahrhundert, ist wahrscheinlich der Stammsitz der Familie der Bunowe bzw. der Bünau. Die nächste urkundliche Erwähnung ist die Leibgutsverschreibung von 1388 für Margarete zu Groest. 1400 wurde das Rittergut an den Bischof von Merseburg verlehnt.
1431 kam es in Privatbesitz. Besitzer waren unter anderem Mitglieder der Familien Bose, Kannewurff und von Ende. 1881 wurde das Rittergut von der Zuckerfabrik Körbisdorf gekauft. Durch den Erwerb der Letzteren gelangte es schließlich 1937 an die Leunawerke. Im Jahre 1945 wurde es im Rahmen der Bodenreform an besitzlose Landarbeiter übergeben. (mz)

