Test Fünf Probleme, die zeigen, dass Merseburgs Zentrum nicht barrierefrei ist
Ein Verein hat untersucht, wie zugänglich die Innenstadt für Menschen mit Gehbehinderungen ist. Das Ergebnis: Es gibt positive Beispiele, aber auch fünf zentrale Problemstellen.

Merseburg/MZ - Zwei schnelle Schritte, die kleine Treppe hinauf, ein großer Satz in die Bustür, eine kurze Beschleunigung über die grüne Ampel. Was für viele jüngere Fußgänger eher nebensächliche Handlungen darstellt, ist für die Menschen, mit denen der VSBI, der Verein zur sozialen und beruflichen Integration, in Merseburg täglich arbeitet, oft nicht möglich. Sie sind auf Rollatoren oder Rollstühle angewiesen und deshalb in ihrer Mobilität eingeschränkt. Der VSBI führt mit Betroffenen deshalb regelmäßig Rundgänge durch die Merseburger Innenstadt durch, bei denen öffentliche Gebäude, Geschäfte, medizinische ebenso wie kulturelle Einrichtungen auf ihre Barrierefreiheit hin geprüft werden. Bei der diesjährigen Tour durch die City stellte das Team um Angelika Fischer fünf wesentliche Problemstellen fest.
1 Die Kreuzung am Bahnhof
Der Kreuzungspunkt von Bahnhofs- und König-Heinrich-Straße ist einer der am stärksten frequentierten in Merseburg. Eine Ampel regelt hier den Verkehr. Fischer kritisiert: „Die Ampelphase für Fußgänger in und aus Richtung Innenstadt ist zu kurz.“ Ältere Menschen würden es bei Grün kaum bis zur Mittelinsel schaffen. „Das ist gefährlich, wenn Autofahrer bei ihrem Grün dann losfahren.“
Die Stadtverwaltung weiß um das Problem, sieht aber keine Lösungsmöglichkeit. „Die Schaltzeit, die jetzt eingestellt ist, ist die längstmögliche“, heißt es aus dem Rathaus. Mehr als die aktuellen 13 Sekunden Fußgängergrün gäbe die bestehende Ampelanlage technisch nicht her. Abhilfe könnte nur eine neue schaffen, doch die wäre mit hohen Kosten verbunden.
2 Der Weg in den Laden
„Es gibt viele Einkaufsmöglichkeiten in der Innenstadt, aber fast alle haben Stufen am Eingang“, resümiert Fischer. Gerade in der König-Heinrich- und in der Kleinen Ritterstraße sei das ein Problem. Auch bei vielen Restaurants sei die Situation so. „Es fehlt als Alternative eine Rampe.“ Iris Korwie, Assistentin beim VSBI, ergänzt: „Einige Geschäfte haben an den Treppen Geländer, aber die sind dann beispielsweise mit Blumen zugestellt und versperrt.“ Als positives Gegenbeispiel nennen die beiden Frauen die Post. Die sei hervorragend barrierefrei ausgebaut.
3 Aufsteller im Weg
Eng mit dem Thema Einkaufen verknüpft ist der Weg durch die König-Heinrich-Straße. Der VSBI stellte bei seinem Rundgang durch die Stadt fest, dass dort die eben für Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Rollatoren gedachten Abschnitte teils durch Aufsteller versperrt sind. „Die Betroffenen müssen dann auf das ruckelige Kopfsteinpflaster ausweichen“, sagt Fischer.
4 Die Tür zur Bank
Am Ende der Gotthardstraße thront die Filiale der Saalesparkasse an der Kliaplatte. Doch als Ergebnis ihres Rundgangs müssen die VSBI-Verantwortlichen konstatieren. Rollstuhl- oder Rollatorfahrer kommen ohne fremde Hilfe nicht hinein. Das Problem: Die erste Tür geht außen auf, aber nicht automatisch. Sie aufzuziehen sei für Betroffene nicht möglich. Christian Germer, Sprecher der Saalesparkasse, räumt auf Nachfrage ein, dass das Problem bekannt sei. Es habe nach Beschwerden sogar eine Prüfung gegeben: „Im Ergebnis wurde uns bestätigt, alle baulichen Vorschriften für die notwendige Barrierefreiheit beachtet zu haben. Die Durchgangsbreiten sind angemessen ausgeführt, die Bedienelemente in der erforderlichen Höhe angebracht sowie ausreichend Bewegungsflächen im Eingangsbereich geschaffen“, sagt Sparkassensprecher Christian Germer. Es sei zudem eine Klingel neben der Tür angebracht worden, mit der Betroffene auf sich aufmerksam machen könnten.
5 Zugang zu Ärzten
Mangelnde Barrierefreiheit ist aber kein exklusives Problem von Banken und Handel, wie Fischer berichtet: „Es gibt auch viele Ärzte in Merseburg, da kommt kein Rollstuhlfahrer allein rein.“ Bei einem Arzt, der im Obergeschoss eines Einkaufszentrums sitzt, sei ihnen als barrierefreier Weg die Tour über die Rampen des Parkhauses gewiesen worden, weil der Fahrstuhl außer Betrieb sei, schildert die Vereinsmitarbeiterin.
Ergebnis des VSBI-Rundgang ist aber auch, dass es in Merseburgs Innenstadt durchaus neben der Post noch weitere Positivbeispiele gibt, der Zugang zum Domstadtkino etwa oder der Busbahnhof, auch wenn dort die Knöpfe für die akustische Abfahrtsauskunft laut Fischer nicht mehr funktionieren. Auch der Bahnhof selbst sei ordentlich, lobt sie: „Die Türen gehen automatisch auf, Aufzüge führen zu den Bahnsteigen.“