Frage der Verantwortung Frage der Verantwortung: Wo fangen die Pflichten eines Amtsträgers im Saalekreis an?

Merseburg - Es war ein dramatischer Fall: Drei Kinder ertrinken in einem Dorfteich in Hessen. Das hat zu einem Gerichtsverfahren geführt, das den Bürgermeister der Gemeinde in der Pflicht sieht. Das unerwartete Urteil: Weil er seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen ist, wurde er wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Doch wo fangen die Pflichten eines Stadtoberhauptes an und wo hören sie auf? Es ist ein Urteil, das Bürgermeister in ganz Deutschland und auch im Saalekreis verunsichert. Auch der Städte- und Gemeindebund spricht von einer wegweisenden Entscheidung.
Hintergrund: Fall des Kindes, was in den Teich gefallen ist
Der Fall spielt in der hessischen Stadt Neukirchen. Im Juni 2016 sind dort zwei Jungen (fünf und neun Jahre) sowie ein Mädchen (acht Jahre) ertrunken und erst Stunden später entdeckt worden. In einem Gerichtsverfahren am Amtsgericht in Schwalmstadt sollte geklärt werden, ob dem Bürgermeister Klemens Olbrich (CDU) fahrlässige Tötung nachgewiesen werden könne.
Das Gericht kommt nach Medienberichten zum Urteil, dass die Kinder womöglich in das Wasser gefallen und sich wegen der gepflasterten und rutschigen Uferböschung nicht retten konnten. Weil der Bürgermeister seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei, wurde er wegen fahrlässiger Tötung zu eine Geldstrafe von 12.000 Euro verurteilt. An diesem Montag bestätigt das Stadtoberhaupt der Deutschen Presseagentur, dass er Berufung eingelegt habe.
Müchelns Bürgermeister: Muss der Geiseltalsee nun eingezäunt werden?
Das Urteil hat sich gerade unter den Bürgermeistern in ganz Deutschland sehr schnell verbreitet. Dabei stellt sich die Frage, was das für Bürgermeister bedeutet. Sollen alle Seen wie beispielsweise der Geiseltalsee eingezäunt werden? „Ich kann ihn gar nicht einzäunen, weil viele der Grundstücke am See nicht im Besitz der Stadt sind“, sagt Müchelns Bürgermeister Andreas Marggraf (parteilos).
Für ihn sei das Problem jedoch nicht auf die Diskussion um den Zaun begrenzt, sondern vielschichtiger. Trotz der Aufklärungsarbeit der Ortsgruppen der Deutschen-Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) können immer weniger Kinder schwimmen. Als Kommune versuche man der Verkehrssicherungspflicht bestmöglich nachzukommen. Als Beispiel nennt er das Strandbad, das aus diesem Grund eingezäunt sei und überwacht werde.
Bürgermeister haben Fürsorgepflicht, aber keine Aufsichtspflicht
„Das Urteil schürt Verunsicherung. Man weiß gar nicht mehr, an was man zuerst denken soll“, sagt Bad Dürrenbergs Bürgermeister Christoph Schulze (CDU). Es sei kaum auszudenken, jeden Dorfteich oder womöglich die Saale mit einem Zaun zu versehen. Ja, als Bürgermeister habe er ein Fürsorgepflicht seinen Bürgern gegenüber, aber doch keine Aufsichtspflicht.
Die, so Schulze, müsste bei den Eltern liegen. Er findet, dass man den Bürger nicht gänzlich entmündigen sollte. In Bezug auf das Urteil meint er, dass solche Entscheidungen ausufern und Grenzen verwischen, er sieht vor allem den Gesetzgeber in der Pflicht, dort einen Riegel vorzuschieben.
Urteil unverhältnismäßige, was die Grenzen der Haftung für einen Bürgermeister angehe
Jürgen Leindecker, Landesgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes in Sachsen-Anhalt hofft vor allem auf eine anders ausfallende Entscheidung in nächster Instanz. „Man muss die Kirche im Dorf lassen“, sagt er.
Als Interessenvertreter der Kommunen misst er dem Urteil ein grundsätzliche Bedeutung bei und bewertet es als „unverhältnismäßige Ausweitung“, was die Grenzen der Haftung für einen Bürgermeister angehe. Die Frage nach dem Einzäunen eines Dorfteiches kann seiner Meinung nach allenfalls eine Einzelfallentscheidung sein. (mz/dpa)