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Mathias Wild im Interview Fast drei Monate im Irak - Lochaus Ortsbürgermeister über seinen Bundeswehreinsatz

Mathias Wild war fast drei Monate lang im Bundeswehrcamp in Erbil. Wie er dort gearbeitet und gelebt hat und was ihn vor Ort überrascht hat.

06.08.2022, 12:00
Mathias Wild wird die Einsatzmedaille in Bronze verliehen.
Mathias Wild wird die Einsatzmedaille in Bronze verliehen. (Foto: Bundeswehr)

Lochau/Erbil/MZ - Fast drei Monate hat Mathias Wild, Ortsbürgermeister von Lochau, im Irak verbracht. Dort hat er am Einsatz der deutschen Bundeswehr im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (kurz: IS) teilgenommen und war in der Einsatzwehrverwaltung des Bundeswehrcamps in Erbil tätig - Erbil ist die Hauptstadt der autonomen Region Kurdistan im Irak. Mit Laura Nobel hat er über seine Erfahrungen gesprochen.

Sie sind im April in den Irak gegangen. Mit einem Passagierflugzeug sind Sie vermutlich nicht geflogen.

Mathias Wild: Es war ein militärischer Flug vom Fliegerhorst Wunstorf bei Hannover mit einem A400M – das ist das Standardtransportflugzeug der Bundeswehr. Das ist natürlich schon etwas anderes als in einem zivilen Flugzeug. Man sitzt nicht in normalen Sitzreihen, sondern am Rand, in der Mitte war die Beladung.

Sie sind dann ins Bundeswehrcamp nach Erbil gegangen. Was genau waren dort Ihre Aufgaben?

Ich war als Beschaffer dort. Ich musste quasi alles, was die Bundeswehr nicht auf zentralem Wege bereitstellen kann oder was zeitkritisch ist, vor Ort besorgen. Das ging von Büro- bis Baumaterial. Ich war also viel außerhalb des Camps in Erbil unterwegs. Wenn ich nicht rausgefahren bin, war mein Dienst von Besprechungen und Planungen geprägt. Die Vor- und Nachbereitung der Einkäufe war ein großer Teil der Arbeit.

Und wie haben Sie sonst im Camp gelebt?

Gewohnt haben wir in geschützten Containern, meist waren die mit zwei Soldaten belegt. Es war recht beengt, aber völlig in Ordnung. Man war ja eigentlich nur zum Schlafen dort. Im Camp gab es jeden Tag Frühstück, Mittag und Abendessen. Abends konnte man beisammensitzen und fernsehen. Sonntags war eine Art Ruhetag, wobei man aber ja immer im Dienst ist. Man musste aber nicht am Arbeitsplatz sein, solange man nicht gebraucht wird.

Jeder hat jedem geholfen und man konnte sich auf jeden verlassen.

Mathias Wild

Durften Sie dann auch mal das Camp verlassen?

Nein, das darf man nur mit dienstlichem Grund. Man konnte sich aber im Camp, das von verschiedenen Nationen betrieben wird, frei bewegen. Der amerikanische Bereich war zum Beispiel wesentlich größer als der deutsche. Da kann man dann auch mal eine andere Truppenküche aufsuchen. Die Verpflegung war übrigens sehr gut.

Wie haben Sie die Kameradschaft vor Ort erlebt?

So wie ich es mir erhofft hatte: Jeder hat jedem geholfen und man konnte sich auf jeden verlassen.

Und was waren vor Ort Herausforderungen für Sie?

Die Temperaturen waren teilweise unerträglich. Das höchste, was ich auf einem Thermometer gesehen habe, waren 56 Grad Celsius in der Sonne. Wenn man draußen arbeiten musste, hat man sich mit kühlen Getränken bei Laune gehalten. Die Trennung von Zuhause ist mir auch nicht immer leichtgefallen und man hat wenig Privatsphäre. Außerdem muss man sich natürlich immer bewusst machen, dass die Gefahr eines Angriffs immer da ist. Es ist nun mal Arbeit unter besonderen Bedingungen.

Gab es denn mal bedrohliche Situationen?

Wir haben regelmäßig geübt, was in Gefahrensituationen zu tun ist, das ist auch sehr wichtig. Möglich sind zum Beispiel Drohnenangriffe oder Raketenbeschuss auf das Camp. Es gab auch mal eine Situation, die einen Alarm ausgelöst hat, die sich dann aber als nicht so bedrohlich herausgestellt hat. Im Wesentlichen war es während meiner Zeit sehr ruhig. Aber das ist natürlich nur eine Momentaufnahme, das darf man nie vergessen.

Welche Momente werden Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?

Ich war überrascht, wie gastfreundlich und herzlich die Kurden sind. Aufgrund meiner Tätigkeit hatte ich ja recht viel mit den Einheimischen zu tun. Sie haben einem das Gefühl gegeben, willkommen zu sein. Tatsächlich scheinen gerade die Deutschen sehr beliebt zu sein, manche hatten kleine Flaggen an ihren Autos oder sogar deutsche Kennzeichen. Beeindruckt hat mich auch, dass es einen recht großen christlichen Stadtteil in Erbil gibt. Das Zusammenleben der Muslime und Christen wirkte aus meiner, vielleicht auch oberflächlichen, Sicht recht harmonisch. Natürlich weiß ich nicht, was sich hinter den Kulissen abspielt oder wie es in den ländlichen Regionen ist.

Was denken Sie über den Einsatz der Bundeswehr, jetzt wo Sie selbst vor Ort waren?

Meiner Ansicht nach ist es wichtig und gut, dass die Bundeswehr und auch die anderen Nationen dort sind. Es gibt der Region Sicherheit und Stabilität. Deshalb würde ich persönlich es gut finden, wenn dort auch weiterhin Präsenz gezeigt wird, aber das entscheidet natürlich der Bundestag.

Ich war überrascht, wie gastfreundlich und herzlich die Kurden sind.

Mathias Wild

Würden Sie selbst denn noch einmal an einem Auslandseinsatz teilnehmen?

Für mich war es insgesamt eine sehr positive Erfahrung. Wenn ich die Chance habe, noch einmal nach Erbil zu gehen, würde ich die gern wahrnehmen. Ich stehe aber auch anderen Einsätzen offen gegenüber. Trotzdem bin ich gerade erstmal froh Zuhause zu sein.

Was haben Sie denn als erstes getan, als Sie wieder in Lochau waren?

Ich konnte von Erbil direkt nach Halle/Leipzig fliegen und da haben mich meine Freundin und ein paar Freunde mit einem großen Willkommen-Zurück-Banner begrüßt. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Zuhause habe ich als erstes meinen Hund begrüßt, der mich zum Glück noch angeschaut hat, und natürlich meine Familie.

Sie hatten sich vorgenommen, aus der Ferne weiterhin als Ortsbürgermeister von Lochau aktiv zu bleiben. Wie hat das geklappt?

Ich hatte es mir tatsächlich einfacher vorgestellt, aber trotzdem konnte ich einige Projekte fortführen. Ich hatte meinen Laptop dabei und konnte problemlos mit meiner Gemeindeassistentin kommunizieren. Das Internet im Camp war einwandfrei. Alles andere hat mein Vertreter vor Ort gut abgefangen.

Der Bundeswehreinsatz im Irak

Die deutsche Bundeswehr beteiligt sich seit 2015 an dem internationalen Einsatz, um zu einer Stabilisierung der Region beizutragen. Im Januar dieses Jahres hatte der Bundestag eine Mandatsverlängerung für den Einsatz mit den beiden Missionen „Counter Daesh“ in Jordanien sowie „Capacity Building Iraq“ im Irak bis zum 31. Oktober dieses Jahres beschlossen. Das Mandat sieht den Einsatz von bis zu 500 Soldaten vor. Nach Angaben der Bundeswehr sind derzeit etwa 100 deutsche Soldaten eingesetzt.