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Fahrverbot vom Tisch Fahrverbot vom Tisch: Müllautos dürfen auch künftig in Sackgassen rückwärtsfahren

Von Dirk Skrzypczak 20.06.2016, 17:00
Torsten Jäger weist in Merseburg ein Müllfahrzeug beim Rückwärtsfahren ein.
Torsten Jäger weist in Merseburg ein Müllfahrzeug beim Rückwärtsfahren ein. Vincent Grätsch

Merseburg/Berlin - Es ist die Nachricht, auf die Entsorgungsunternehmen in Deutschland sehnsüchtig gewartet haben - und die die MZ am Montag exklusiv nach einer Anfrage erreichte. Das drohende, generelle Rückwärtsfahrverbot für Müllautos etwa in Sackgassen ist vom Tisch. „Wir haben uns mit der Gesetzlichen Unfallversicherung darauf geeinigt, dass Müllfahrzeuge weiterhin rückwärtsfahren dürfen, wenn besondere Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden“, sagt Peter Kurth, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE).

Im Saalekreis können damit Hunderte Einwohner aufatmen. Hätte sich nämlich die Versicherung mit ihrer anfänglichen stringenten Haltung durchgesetzt, hätten betroffene Bürger ihre Tonnen künftig zu zentralen Sammelplätzen ziehen müssen - für Senioren und Gehbehinderte eine Zumutung.

Argumente der Unfallversicherung

„Der Bürger hätte die Konsequenzen tragen müssen, wenn es zu dem Verbot gekommen wäre“, sagt Volker Huth, Geschäftsführer des kommunalen Entsorgers MEG aus Merseburg. Allerdings seien die Argumente der Unfallversicherung nicht von der Hand zu weisen. So sei es in der Vergangenheit immer wieder zu schweren Unfällen bis hin zu Todesopfern gekommen, weil Personen beim Zurückstoßen von den Fahrzeugen erfasst worden waren - darauf wollte die Unfallversicherung mit dem Verbot reagieren. „In unserem Gebiet hat es derartige Fälle zwar nicht gegeben. Dennoch ist es oft grenzwertig. Zum Glück ist es bei uns bislang bei Sachschäden geblieben.“

Nach monatelangem Ringen hat sich nun offenbar die Abfallwirtschaft mit ihren Argumenten durchgesetzt. Das bedeutet: Auch künftig ist das Rückwärtsfahren gestattet, wenn der Fahrer durch einen weiteren Mitarbeiter eingewiesen wird. Und die Einigung geht noch weiter. „Auf den Einweiser kann man verzichten, sofern technische Maßnahmen eingesetzt werden, mit denen eine Gefährdung von Personen ausgeschlossen werden kann, beispielsweise bestimmte Fahrerassistenzsysteme“, erklärt Verbands-Chef Kurth.

Technik noch nicht verfügbar

Allerdings ist diese Technik noch nicht verfügbar. „Ich kenne jedenfalls kein System, das von unserer Berufsgenossenschaft oder den Versicherungen anerkannt ist. Immerhin reden wir bei einem Müllfahrzeug von einem speziellen Arbeitsgerät, bei dem es nicht einfach ist, eine Rückraumüberwachung mit einem automatischen Stopp-System zu installieren“, sagt MEG-Geschäftsführer Huth. Und so dürfte eine Aufrüstung der Fahrzeuge auch eine Frage des Geldes sein. Die MEG will sich die Technik sparen und so lange auf den Einweiser setzen, wie es erlaubt ist. Die MEG hat 15 Fahrzeuge in ihrer Flotte, die immer mit zwei Mitarbeitern besetzt sein müssen.

Ein Rückwärtsfahrverbot wäre der MEG, die ab Januar 2017 die Müllentsorgung im ganzen Landkreis übernimmt, wohl teuer zu stehen gekommen. Laut Entwurf der neuen Gebührensatzung bietet die MEG für fünf Euro Aufpreis im Monat einen Hol- und Bringservice von Mülltonnen an. Allerdings sind die fünf Euro kaum kostendeckend, wie es heißt. Je mehr Bürger den Dienst in Anspruch nehmen, desto unwirtschaftlicher wird es. Fahren Müllautos nicht mehr in Sackgassen hinein, hätte es wohl einen Ansturm auf die Leistung gegeben.

Unterdessen appelliert Volker Huth an die Anwohner von Stichstraßen, „mitzudenken, wenn die Müllfahrzeuge auf Tour sind“. Dann sollten nicht noch Autos in Straßen parken, in denen es ohnehin schon eng und damit auch unübersichtlich zugeht. (mz)