Ein Gefühl von Familie
Merseburg/MZ. - Frische Brötchen, Käse, etwas Wurst, heißer Kaffee: Es ist acht Uhr und die Pilger in der Neumarktkirche St. Thomae sitzen bei einem gemütlichen Frühstück. Die sechs Wanderer waren bereits am Vortag in Merseburg eingetroffenen - die Domstadt ist eine Station auf dem Ökumenischen Pilgerweg.
Die romanische Kirche direkt an der Saale dient vielen Pilgern als nächtliche Unterkunft. Schnell kommen die oft Weitgereisten hier miteinander ins Gespräch: Neuigkeiten von unterwegs gibt es immer. Da wird von Fahrradpannen und Frühaufstehern berichtet, genauso wie über liebenswerte Herbergseltern, die sich rührend um ihre Gäste kümmern.
Familie Heinze aus Eisenach, die von Görlitz aus auf der alten Via Regia wieder in ihre Heimatstadt wandern will, ist mit ihren Fahrrädern unterwegs und hat bereits hunderte Kilometer zurückgelegt. "Wir sind also nicht die echten Pilger, die zu Fuß gehen", lächelt Almuth Heinze. Sie und ihr Mann Jens sind mit Tochter Antonia zum Pilgern aufgebrochen. Schon die Zehnjährige weiß: "Es geht nicht darum, wie viel Kilometer man an einem Tag zurücklegt, sondern man wandert so lange man kann und will", sagt sie. Ihre Mutter berichtet: "Wir sind jetzt seit einer Woche unterwegs. Dabei wollen wir unserer Intuition folgen und die Sinne schärfen für das, was außerhalb des Weges passiert."
Vivian Fröhlich-Kleinschmidt aus dem ostfriesischen Aurich pilgert zu Fuß. "Ich richte mich nicht nach einem bestimmtem Ziel, sondern nach der Zeit, die ich habe. Vielleicht kommt ich bis nach Naumburg, ich werde sehen wo der Weg mich hinführt", sagt sie. Auf ihrer Reise empfindet die junge Frau immer ein besonders behütetes Gefühl. "Es ist schön, wenn eine Art Familie unter den Pilgern entsteht und sich unsere Wege immer wieder kreuzen."
Auch der Hamburger Thomas Hass pilgert zu Fuß. Er hat sich über die Gastlichkeit der Menschen in und um Merseburg gefreut. "Man hat mir geholfen, als ich mich nicht mehr genau auf dem Pilgerweg befand. Ein Merseburger hat sogar mit mir eine Stadtführung gemacht und wir haben uns den Dom, das Schloss und natürlich auch den Merseburger Raben angeschaut", erzählt er begeistert.
Britta Home, die aus Bremen kommt, ist erst kurz hinter Leipzig auf Pilgerreise gegangen. Auch sie ist zu Fuß unterwegs. "Ich nehme aber auch manche Strecken den Bus und fahre in die Städte um sie mir anzusehen. Ich bin nicht gläubig, aber ich wollte mir einfach eine Auszeit nehmen und ich genieße jetzt die Ruhe und die Herzlichkeit der Menschen", sagt die junge Frau.
Das Frühstück haben die sechs Pilger mittlerweile beendet. Nun macht sich wieder jeder für sich auf den Weg, um innere Ruhe und Frieden zu finden. Vielleicht trifft sich die Weggemeinschaft unterwegs noch einmal.
Der Ökumenische Pilgerweg entlang der alten Via Regia verläuft von Görlitz bis nach Vacha.
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