Historische Bräuche im Saalekreis Die Schnellrodaer und das „Hahnewackeln“
Das Fastnachtsessen in Schnellroda ist ein so uralter wie in der Region einzigartiger Brauch. Er symbolisierte einst für Hinzugezogene, dass sie in die Nachbarschaft aufgenommen waren.

Schnellroda/MZ. - In Schnellroda hat sich eine jahrhundertealte Fastnachtstradition erhalten und wird vom Traditionsverein weiter gepflegt, auch dieses Jahr: das Fastnachtsessen als Teil des Nachbarschaftsrechts. Das ist in der ganzen Region einmalig.
Seit jeher ist es im Dorf Brauch, dass jeder neue Nachbar dieses Essen ausrichten musste. Wer ein Grundstück kaufte, erbte oder einheiratete „muss geben, was er schuldig ist“, so ist es in der Chronik überliefert. Aber nicht jeder war früher zugelassen, sondern nur die Männer und auch keine Tagelöhner oder das Gesinde. Kranken und Witwen, die das Nachbarschaftsrecht besaßen, wurde das Essen vielmehr nach Hause gebracht.

Mit dem Faschingsdienstag war nicht nur der Tag genau vorgeschrieben, sondern auch der Ablauf. 16 Uhr begann der Schmaus in der Gastwirtschaft. Der Ausrichter hatte ein Fass Bier, vier Schüsseln Kartoffelsalat mit Heringen, vier runde Bauernbrote, Butter und Bauernkäse zu geben. Der ausgenommene und entgrätete Hering wurde in der Mitte geteilt und in den Kartoffelsalat gesteckt, so dass nur Kopf und Schwanz herausragten. Jedem Hausbesitzer stand ein Hering zu. Jeder hatte seinen angestammten Tischplatz.
Bedienen mussten zwei neue Nachbarn, die schon eine Wirtschaft führten, aber noch kein Fastnachtsessen ausgegeben hatten und damit noch keine Nachbarschaftsrechte genossen. Der Ausrichter selbst durfte sich weder setzen noch essen oder trinken oder rauchen, solange nicht alle Gäste versorgt waren. Später wurden diese sehr strengen Vorgaben abgeschwächt. Aber das Prinzip blieb dasselbe.
Das war noch nicht alles. Mitternacht fand dann das so genannte „Hahnewackeln“ statt. Dabei wurden kurz vor dem Heimgehen der Teilnehmer noch Essensreste aufgetragen. Nichts durfte übrig bleiben, und man trank noch ein Gläschen dazu, man „hahnewackelte“.
Damit waren die Pflichten für den neuen Nachbarn aber noch immer nicht erfüllt. Am nächsten Tag hatte er eine bestimmte Zahl kernechter Pflaumenbäume auf dem Dorfanger zu pflanzen. Von nun an war er vollwertiges Gemeindemitglied und konnte am jährlichen Flurgang oder der Einwohnerversammlung teilnehmen.
Der Brauch wurde bis 1932 abgehalten und in den 90er Jahren vom Heimatverein, dem heutigen Traditionsverein, wiederbelebt. Bis heute findet er wieder jedes Jahr in der Gaststätte „Zum Schäfchen“ statt, und stets ist theoretisch das ganze Dorf eingeladen.
Auch 2024 fand sich auf Anfrage wieder ein Ausrichterpärchen, wie die Traditionsvereinsvorsitzende Maritta Pinkert der MZ berichtete. Allerdings müsse der Ausrichter heutzutage nicht mehr alles aus eigener Tasche bezahlen. Der Verein trage einen Teil dazu bei. Weil aber das typische Essen stets mitgebracht werde, sei es nicht selbstverständlich, dass der Wirt immer seinen Saal zur Verfügung stelle. Dafür gebühre ihm ein großes Dankeschön.
Für die Mitglieder des Traditionsvereins Schnellroda steht bereits am 16. März der nächste Termin ins Haus. Dann sind alle zum Frühjahrsputz aufgerufen.