1.000-jährige Domweihe Die neue Glocke für Dom in Merseburg ist gegossen
In Merseburg wird bald ein neuer Klang zu hören sein. Ein neues Element für das Domgeläut wurde nun in Freiberg gegossen.

Freiberg/Merseburg - Als die Reden der Ehrengäste verhallt sind und das Bläser-Quintett des Bergmusikkorps Saxonia Freiberg verstummt, legt sich eine erwartungsvolle Stille über die große, schmucklose Mehrzweckhalle des Sächsischen Metallwerks Freiberg. Gleich wird die geschmolzene, auf 1.100 Grad Celsius erhitzte Bronze hereingebracht und in ihre endgültige Form gegossen werden. 890 Kilogramm soll die neue Glocke für den Merseburger Dom wiegen bei einem Durchmesser von 1,13 Meter.
Dass dem Geläut des Merseburger Doms eine neue Glocke dieser Dimension gegossen wird, ist beileibe kein alltägliches Ereignis. Bis 1894 müsse man zurückgehen, sagte der Direktor der Vereinigten Domstifter, Holger Kunde, um einen vergleichbaren Vorgang zu finden: Damals wurde eine neue Glocke für den Naumburger Dom gefertigt, deren Ausmaße die der nun gegossenen noch deutlich übertrafen. Rund zwei Meter Durchmesser und ein Gewicht von über fünf Tonnen habe der als „Drei-Kaiser-Glocke“ bekannt gewordene Sakralgegenstand gehabt, berichtete der Stiftsdirektor. Das Metall von 14 Kanonenrohren sei damals eingeschmolzen worden, um diesen zu fertigen. 1917, keine 20 Jahre später, habe sich die Glocke wieder zurückverwandelt. Es herrschte Krieg, das Metall sei erneut eingeschmolzen und zu Geschützen verarbeitet worden. Ein Schicksal, das Holger Kunde in seiner Rede als mahnendes historisches Beispiel anführte. „Mögen alle guten Wünsche unserer neuen Friedensglocke gelten.“ Nun hoffe er, dass diese „in ihrem langen Glockenleben nur freudvolle Ereignisse begleiten“ werde.

„Das ist spezielle Bronze, wo sehr viel Zinn drin ist“
Um kurz vor 15 Uhr beginnt sich ein brenzliger Geruch in die Hallenluft zu mischen. Aus dem dunklen, von Metallstreben und Rohren durchzogenen Nebenraum summen unsichtbare Maschinen. Man erkennt ein feuriges, von dünnen Rauchschwaden umzogenes Glimmen. Dann wird langsam die geschmolzene Kupfer-Zinn-Legierung hereingebracht. Aus dem fassgroßen Schmelztiegel, den ein Gabelstapler ganz vorsichtig in Richtung der Gussform fährt, leuchtet das flüssige Metall und in seiner Nähe wird es nun spürbar heiß.
Um 15 Uhr, entsprechend altem Brauch zur Sterbestunde Jesu, wird die Glocke dann gegossen. Achtsam wachen vier Männer in blauer Arbeitskleidung darüber, wie die siedend heiße Glockenbronze in ihre neue Gestalt fließt. „Das ist spezielle Bronze, wo sehr viel Zinn drin ist“, sagt Formgießer Frank Gebhardt. Minutenlang ergießt sich die glühende Masse aus dem Tiegel in die Gussform.

„Das ist für mich ein ganz großes Erlebnis“
Die neue Glocke soll das traditionelle Geläut des Doms anlässlich dessen 1.000-jähriger Weihe ergänzen und entlasten. Modell für Form und Klang stand die Naumburger „Maria“ in der Wenzelkirche. Die war 1518 vom Freiberger Martin Hilliger gegossen worden. Zu dessen Ehren und um die Freiberger Tradition des Glockengusses weiterzuführen, gründete sich 2014 der Verein Hilliger, der nun die neue Domglocke fertigte. Dabei wurde ein neues, in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Bergakademie Freiberg entwickeltes Verfahren angewandt. Ein 3D-Scanner nahm zunächst die Form der Marienglocke auf. Aus diesem Abbild wurde anschließend ein digitales Modell der neuen Glocke erstellt. Dieses diente dann als Basis für die Gussform.
Seit seinem Bestehen gieße der Verein Hilliger nun die zehnte Glocke, sagte dessen Vorsitzender Volker Haupt bei seiner Rede. Besonders bedankte er sich, wie auch andere Redner, bei der anwesenden Verlegerin Friede Springer, deren Stiftung das Projekt durch eine 50.000-Euro-Spende möglich gemacht hatte. „Für etwas Schöneres kann man gar nicht spenden, als für eine Kirchenglocke für den Merseburger Dom“, sagte Springer nach dem Glockenguss. „Das ist für mich ein ganz großes Erlebnis, hier zu sein und dabei zu sein. Das hat man einmal im Leben.“

Ob sich die Arbeit gelohnt hat, stellt sich einige Tage später heraus; dann nämlich, wenn die Legierung auf Raumtemperatur abgekühlt ist und aus seiner Form genommen werden kann. Vorher könnten Spannungsrisse entstehen, so Formgießer Gebhardt. Beschriftet sein wird die Glocke dann, wenn alles geklappt hat, mit einem Vers aus Friedrich Schillers „Lied von der Glocke“: „Friede sei ihr erst Geläute.“ (mz)