Die Braut in einem Traum von Tüll
Querfurt/MZ. - Die Gewehre abgestellt, kurze Befehle und dann geht es im Gleichschritt in den Renaissance-Festsaal, natürlich nicht, ohne zuvor Helme und Hüte vom Kopf zu nehmen. Aber auch Bürger, Bauern, Chevaliers und Fußvolk, alle in Kostümen der Zeit des Empire, sind vertreten. Selbst die Kinder, so Tom und Lies aus Luxemburg, sehen aus, als kämen sie geradewegs von einer Zeitreise. "Du König von Preußen, du großer Potentat", spottet die Gruppe "Last Orders" aus Hamburg und singt vom schaurig-schönen Soldatenleben.
Der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt, als dann Gernot Döhne und Sandra Jochmann unter Trommelwirbel eintreten. Den beiden ist die Aufregung anzumerken, aber auch die Freude über den einmaligen Tag. Die 34-Jährige Versicherungsmaklerin aus Wiesbaden in einem Traum von Tüll, der 41-Jährige Wiesbadener als französischer Unterleutnant. Und man hat in diesem Moment fast das Gefühl, als sei die Zeit um 200 Jahre zurück gedreht. Aber die allerorten gezückten Digitalkameras holen die Realität rasch zurück.
"Wir wollten schon immer im Kreis unserer Freunde so stimmungsvoll heiraten", schwärmt Sandra und Gernot ergänzt: "Hier in Querfurt stimmt alles, die Umgebung, das ganze Ambiente ist so traumhaft toll. Und die Burg war ja tatsächlich zu Zeit Napoleons ein kriegerischer Schauplatz, wenn auch am Rande." Standesbeamtin Sieglinde Sauer hat solch eine Hochzeit wahrlich noch nicht erlebt. "Möge der Bund, den sie heute schließen, ihnen beständiges Glück bringen",sagt sie dem Brautpaar, das von den jeweiligen Eltern flankiert wird, die ergriffen der Zeremonie lauschen. Dann erheben sich alle, es kommen die obligatorische Fragen: Willst Du? Willst Du? Und wie nicht anders zu erwarten, wollen beide. Die Ringe, dann der Kuss, die Trauzeugen. Und als der Satz folgt "Nun seid ihr Mann und Frau" klatschen die Soldaten in die Hände und wie auf Befehl rhytmisch mit den Stiefeln auf den Boden: "Vivat, Vivat, Vivat." Der Saal bebt.
"Jetzt darf dem Brautpaar gratuliert werden", ruft Frau Sauer. Die Freunde eilen nach vorn, drücken Braut und Bräutigam, beide strahlen, auch die MZ gratuliert. Dann geht es hinunter auf dem Hof, wo die Soldaten ein Ehrenspalier bilden, die Säbel zücken und "Vive la France" rufen. Brautjungfrauen streue Blütenblätter auf das Kopfsteinpflaster und ein Umstehender fragt ungläubig: Heiraten die wirklich richtig? Jemand nickt. Eine Kutsche wartet, und unter dem Beifall der Schaulustigen, die dicht gedrängt stehen, fährt sie vom Hof, in die Flitterwochen. "Nein", sagt Sandra Jochmann, "in den Flitterwochen waren wir gerade, in Paris. Jetzt geht es raus ins Biwaklager zur Truppe, und dann gibt es am Nachmittag Kaffee und Kuchen für alle." Welch eine Hochzeit.