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Der Bischof wechselt seine Kleider

Von Elke Jäger 29.08.2006, 17:01

Merseburg/MZ. - In knapp zehn Tagen wird ihm in Merseburg ein Denkmal gesetzt. Da steht er dann an seinem Pult, den Kopf links abgestützt, in der rechten Hand die Feder schreibbereit am Pergament, den Bischofsstab an die Seite gelehnt. Vor mehr als 1000 Jahren hat er oben auf dem Domberg gelebt, gepredigt, an seiner Chronik gearbeitet und vermutlich auch gewohnt. Kein schöner, aber ein bemerkenswerter Mann, von dem man heute noch spricht.

Die Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz haben dieses Projekts auf den Weg gebracht. Im Kreuzhof, wo sich bereits einmal ein Brunnen befand, soll wieder Wasser sprudeln - und als Brunnenfigur wurde Thietmar erkoren. Auf historischen Postkarten ist die runde Einfassung noch zu sehen, Reste waren bis in die heutige Zeit zu erkennen. Nun wird alles neu gemauert, verfugt und installiert und zum Tag des offenen Denkmals am 10. September der Öffentlichkeit präsentiert.

Thietmar indes erhält in Rabenau bei Dresden noch seinen letzten Schliff. Kosmetik fürs Gesicht mit der deformierten Nase, kleine Korrekturen an den Falten des Gewandes, das den verwachsen wirkenden Körper umhüllt und an den feinen Reliefs am Sockel mit Szenen aus Thietmars Leben. Hier im Hinterhof einer ruhigen Straße, in einer ehemaligen Polsterwerkstatt steht gewissermaßen die Wiege der bronzenen Thietmar-Skulptur - in der Firma Bildguss der Gebrüder Thomas und Frank Ihle.

Auf dem Weg von der rötlichen Gipsfigur in Echtgröße zum metallisch glänzenden Abbild musste der Bischof mehrmals neue Kleider anlegen, Hitze und Kälte aushalten und nicht empfindlich sein gegen Krach. In der Werkstatt brummen und jaulen Maschinen, wird gehämmert und zerklopft, gebohrt und poliert. Der eigentliche Guss ist nur einer von vielen Arbeitsschritten.

"Zuerst brauchen wir ein Modell", beschreibt Thomas Ihle (38) den Werdegang. Das hat in dem Fall Ulrich Janku, der Steinbildhauer des Domstifts, aus Gips in Echtgröße gefertigt und persönlich abgeliefert. Diese Figur wird komplett mit einer Silikonschicht umhüllt und dann noch mit einem Gipsmantel versehen - wegen der Festigkeit. Das passiert übrigens alles in Handarbeit und ist eine nötige Vorarbeit für das Wachsauschmelzverfahren, das für feine Formen und Reliefs angewandt wird.

In diesem Stadium läuft bei Thietmar immer noch die Anprobe. In die Silikonform wird nun eine Wachsschicht aufgetragen und aus einer Gips-Schamotte-Mischung eine Gussform hergestellt. Wo jetzt noch das Wachs sitzt, dahin fließt später die Bronze. Deshalb müssen die Männer - bei Bildguss sind neben Ihles noch zwei Kollegen beschäftigt - an dieser Stelle mit Argusaugen aufpassen. "Was wir am Wachs nicht richten, müssen wir später am Metall machen", begründet Henry Schietzelt den Wach-Blick. Das Wachs läuft während eines mehrtägigen Schwitzbades im 660 Grad heißen Ofen aus der Form. Und dann kann es endlich ans Werk gehen - an den Guss.

Bei aller Routine, das Gießen bleibt eine feierliche Angelegenheit. In Ihles Schmelztopf passen rund 200 Kilo. Zwei bis drei Stunden dauert es, bis sich die Mischung aus Kupfer und Zinn (im Verhältnis 90:10) bei rund 1200 Grad verflüssigt hat. Langsam fährt der Brückenkran mit dem siedend heißen Tiegel an die Grube, die Masse ergießt sich in die Form. Nun heißt es Warten, bis das sich die Bronze abgekühlt hat. Wegen seiner Größe wurde Thietmar in drei Teilen gegossen - würde alles passen? Eine Geduldsprobe.

Henry Schietzelt, der beim Abschlagen der Gipsschamotte dabei war, hielt dabei den Atem an. Das Lampenfieber spürt er wohl auch noch beim tausendsten Guss. Stück um Stück kam das Metall zum Vorschein. Noch mit Riefen und Narben bedeckt, aber sonst völlig in Ordnung. Auch der Sockel mit dem filigranen Figuren ringsum - eine besondere Herausforderung - war gelungen. Selbst der Bischofsstab, hielt wie ein dicker Ast. Die Feinarbeit, die jetzt noch kommen würde, ist Handwerk.

Ihles - Frank, der gelernte Kunstformer, und Thomas, von Haus aus Ziselierer - und ihre beiden Mitarbeiter, sind zufrieden. Wieder ein erfüllter Auftrag, wieder ein Ort mehr in der Referenzliste.

Einweihung am 10. September 10 Uhr mit Festgottesdienst im Dom, 12 Uhr Enthüllung der Brunnenskulptur, ab 13 Uhr Sonderführungen