Bellay Gatzlaff Bellay Gatzlaff: Bürgermeister mit Faible für Straßenbahnen

Merseburg - Die Blechdose auf dem Schreibtisch sieht aus wie eine Straßenbahn und verrät mehr über Bellay Gatzlaff, als mancher ahnt. „Die Dose habe ich mal geschenkt bekommen, weil ich ein Faible für Straßenbahnen habe. Während meines Studiums bin ich selbst Straßenbahn gefahren“, lächelt Merseburgs neuer Bürgermeister.
„Morgens um drei bin ich aufgestanden, damit ich um vier/halb fünf im Depot war. Dann bin ich den Berufsverkehr gefahren und danach ging es an die Uni.“ Acht Jahre lang sei er in Leipzig Straßenbahn gefahren. Am liebsten hätte er Verkehrsplanung studiert, aber das habe es zu DDR-Zeiten nicht gegeben.
Dolmetscher und Übersetzer für Englisch und Arabisch
„Ich hab damals Dolmetscher und Übersetzer für Englisch und Arabisch studiert“, erzählt Gatzlaff, der ebenso wie Merseburgs OB Jens Bühligen (CDU) in Sachsen geboren wurde. Allerdings ist es ein Unterschied, ob man mit Sprachen umgeht oder ob man in einer Verwaltung mit Zahlen jongliert, oder? „Natürlich, aber ich habe dann berufsbegleitend meinen Verwaltungswirt gemacht und Betriebswirtschaft studiert.“
In der wilden Wendezeit sei ja viel möglich gewesen. „Da wurde händeringend Personal gesucht, das damals noch nicht im Staatsapparat war.“ Deshalb sei sein erster richtiger Job dann bei der Straßenverkehrsbehörde in Leipzig gewesen. Dort sei er Gruppenleiter für verkehrsregelnde Maßnahmen gewesen. „Das wäre heute so gar nicht mehr möglich.“
Projektkoordinator Finanzen im Leipziger Organisationsbüro der Fußball-WM
Fünf Jahre habe er dort gearbeitet. „Dann war ich in der Vollstreckung und von 2002 bis 2005 im Gesundheitsamt. Und 2006 hab’ ich dann als Projektkoordinator Finanzen im Leipziger Organisationsbüro der Fußball-WM gearbeitet.“ Im Gesundheitsamt sei er Abteilungsleiter der Allgemeinen Verwaltung gewesen und habe natürlich auch solche Dinge wie das Infektionsschutzgesetz kennen müssen. Das Spannendste sei damals die Frage gewesen, wie man die komplette Leipziger Stadtbevölkerung, also 500 000 Menschen, innerhalb von vier Tagen gegen Pocken impfen kann.
„Das war nicht nur eine theoretische Aufgabe. Da wurden die Ärzte nämlich losgeschickt und die mussten dann an Schweinefüßen, die extra besorgt worden waren, üben, wie man gegen Pocken impft.“ Man habe damals die Befürchtung gehabt, dass aus irgendwelchen Laboren in den USA oder Russland Pockenviren entwendet werden könnten und dass daraus eine weltweite Epidemie entstehen könnte. Deshalb diese Aufgabenstellung.
Zuständig für Personal, Haushalt und die Liegenschaften in Merseburg
Ansonsten habe er sich mit Personal, Finanzen, Recht, Unterbringung und Beschaffung beschäftigen müssen. „Das war fast so wie das, was ich jetzt in Merseburg tue, nur auf Gesundheitsebene.“ In Merseburg ist der 52-Jährige seit 1. August auf dem Posten, für den er sich vor Monaten bei der Stadt beworben hatte. Übergangsweise war er Leiter des Amtes für Finanzen. Seit Dienstag ist er offiziell Bürgermeister und damit unter anderem zuständig für Personal, Haushalt und die Liegenschaften der Stadt.
Dass er sich mit Haushaltsfragen auskennt, hat Bellay Gatzlaff bei seinem vorherigen Arbeitgeber, der Stadt Eberswalde, bewiesen. 2007 ist er dort eingestiegen, ab 2009 war er Verwaltungsdezernent und ab 2015 Bildungs-, Sozial- und Kulturdezernent. „Als ich anfing, hatten wir vier Millionen Euro im Kassenbestand. Die waren aus dem Verkauf der Stadtwerke. Heute hat man in Eberswalde 50 Millionen Liquiditätsbestand. Wir haben regelmäßig Gebühren kalkuliert und Steuern erhöht.
Bellay Gatzlaff schwärmt von San Francisco, Barcelona, Reims oder Wien
Beim Blick aus dem Bürofenster sieht Gatzlaff hin und wieder eine Tram vorbeifahren. „20 Jahre lang hat mir meine Frau jedes Jahr einen Kalender mit eigenen Fotos von Straßenbahnen, besonderen Details oder einem skurrilen Blick auf eine Oberleitungskreuzung geschenkt.“ Und bei der Entscheidung über das Urlaubsziel gebe es immer das Kriterium, ob es dort eine Straßenbahn gibt oder nicht, erzählt er und schwärmt von San Francisco, Barcelona, Reims oder Wien.
Merseburg ist für ihn zwar kein Urlaubsort. Aber hier fährt eine Straßenbahn. Wenn das kein guter Anfang ist. (mz)