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Bauarbeiten Bauarbeiten: Bohrer «fressen» sich voran

Von REGINA RETZLAFF 13.08.2009, 15:06

KALZENDORF/MZ. - "Festhalten!" Der Ruf kommt keine Sekunde zu spät. Der Wagen macht einen kleinen Hüpfer. Der Untergrund ist steinig, staubig und mehr als nur uneben. Sonnleitner weicht einem von sechs Kippern aus, der auf dem Weg nach draußen ist. In der Mulde transportiert er etwa zwölf Kubikmeter Erde und Gestein hinaus ans Tageslicht. Dort schüttet er den Ausbruch auf einen großen Berg, wo wiederum ein weiterer Bagger steht, der ihn auf riesige Lkw verfrachtet. Die rollen fast im Minutentakt leer heran und voll beladen wieder hinüber in den Steinbruch der Firma Lafarge in Karsdorf, wo der Ausbruch abgeladen wird. Dafür müssen sie die B 180 überqueren. Damit das unfallfrei geschehen kann, sorgt eine Kontaktampelanlage für freie Fahrt, sobald sich der Lkw nähert.

Am Tunneleingang fährt man schon fast auf der Sohle. Kommt man weiter hinein, geht es etwas höher auf der Strosse weiter und ziemlich weit vorn, da wo sich die riesigen Bohrer ins Gestein fressen, da steht man schlussendlich auf oder in der Kalotte. Die endet an der so genannten Ostbrust. In die werden gerade wieder Sprenglöcher gebohrt. 30 bis 40 Stück sind es, die zwischen 1,20 Meter und 1,50 Meter tief sein müssen. Die zwei Sprengmeister, wie fast alle Arbeiter in dieser Schicht Österreicher, sitzen dazu in ihrer klimatisierten Kabine im riesigen Bohrwagen und bedienen die Bohrer per Joystick. Der Lärm ist auch hier noch groß. Trotzdem läuft Musik. Die beiden jungen Alpenländler hören Freddy Quinn und grinsen, als sich die mitteldeutsche Journalistin darüber wundert.

Die beiden sind seit acht Stunden im Einsatz. Ihre Schicht dauert noch vier Stunden. "Wir arbeiten rund um die Uhr und die Woche im Zweischichtsystem", ist von Detlev Siever zu erfahren, dessen Firma vom Bauherrn des künftigen Osterberg-Tunnels bei Kalzendorf, der Deutschen Bahn AG, mit der Bauüberwachung beauftragt ist. Gearbeitet wird nach dem Dekaden-System. Eine Schicht ist im Tunnel, eine Schicht hat Pause, eine Schicht ist auf Heimaturlaub. Und das für zehn Tage. Pro Schicht, so ist weiter zu erfahren, sind 38 Leute im Einsatz.

Noch während sich die Bohrer in die "Brust" fressen, schieben drei Arbeiter Sprengstoff in die Löcher. Der wird schließlich verkabelt. Da dringt Herbert Sonnleitner mit österreichischem Charme zum Aufbruch. Es könnte brenzlig werden. Deshalb ziehen sich vor der Sprengung alle mitsamt Maschinen etwa 300 Meter zurück. Wir verschwinden durch einen Querstollen hinüber in den Petra-Tunnel. Auch hier wird frische Luft über ein Riesenrohrsystem hereingedrückt. Dennoch schwitzen die Arbeiter, die nach dem Abtransport des Schuttes das Gewölbe sichern. Dazu werden Stahlträger in Hufeisenform eingebracht und mit Bewehrungsmatten versehen. Dann kommt Spritzbeton drauf. So kann das Gebirge nicht nachbrechen. Darauf erfolgt eine zweite Sicherung. Dabei bekommt die Röhre eine 25 Zentimeter dicke Spitzbetonschale.

Inzwischen lenkt Bauleiter Sonnleitner den kleinen Bus schon die rund 1 400 Meter zurück zum Tunneleingang. In wenigen Stunden wird auch seine Schicht zu Ende gehen. Dann sind die Mineure weitere zehn bis zwölf Meter hineingebrochen in den Berg. "Inzwischen laufen Wetten über Tag und genaue Stunde des Durchbruchs. Dafür liegen extra Listen aus. Das ist ein Spaß, den fast alle mitmachen", erzählt Detlev Siever. "Mitte Oktober rechnen wir mit dem Durchbruch", sagt Christian Fuß, Projektingenieur der Deutschen Bahn.

Dazu liege man gut in der Zeit. "Wir haben auch Glück. Denn einen Tunnel so wie hier von oben nach unten zu bauen, ist nicht üblich. Doch unser Tunnel ist trocken. Und sollte mal Wasser einbrechen, was wir nicht hoffen wollen, dann sind wir gewappnet."