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Ausbildung Ausbildung: Wo gibt es Fahrrad-Monteure?

Von michael tempel und regina retzlaff 07.02.2013, 19:25

Merseburg/Rossbach/MZ. - Trotz mangelhafter Radwege und häufiger Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern werden nach wie vor auch im Saalekreis Fahrräder verkauft. Allerdings wird es zusehends schwieriger, ausgebildete Fachkräfte zu gewinnen, die die Zweiräder reparieren und warten können. Dagegen will die hallesche Handwerkskammer jetzt etwas unternehmen und ein Ausbildungszentrum für die gesamte Branche in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen gründen.

Uwe Bönicke aus Roßbach im Saalekreis ist Chef der Prüfungskommission für das Zweiradmechaniker-Handwerk bei der Kammer. Ihm zufolge haben die 74 Fahrrad-Werkstätten unter den Mitgliedsbetrieben in der Region unter Fachkräftemangel zu leiden. "Bundesweit sind 2011 gerade einmal 623 Zweiradmechaniker oder -monteure ausgebildet worden. Nur 92 davon waren es in den neuen Bundesländern inklusive Berlin", sagt Bönicke.

In ganz Sachsen-Anhalt gebe es jährlich etwa nur 15 Azubis für diesen Bereich. "Die Folge ist, dass man beispielsweise in großen Städten wie in Halle lange auf die Reparatur seines Fahrrads warten muss." Und weil in den Werkstätten zahlreiche ungelernte Mitarbeiter tätig seien, hapere es verbreitet auch an der Servicequalität, so Bönicke.

Die Gründe für die Situation sind vielschichtig. Neben dem demografisch bedingten allgemeinen Rückgang an Lehrlingen nennt Meister Bönicke den geringen Bekanntheitsgrad des Fahrradmechanikerberufs. Der Verkaufsboom habe das Interesse noch nicht anfachen können.

"Ein Grund ist sicher auch die relativ geringe Bezahlung. Ein Handwerker bekommt eben weniger Geld als ein Banker." Branchenangaben zufolge kann ein ausgebildeter Fahrradmechaniker je nach Größe des Betriebs mit einem Lohn von rund 800 bis 1 300 brutto im Monat rechnen.

Deshalb bläst die Handwerkskammer jetzt zur Offensive. "Wir können nur punkten, indem wir deutlich machen, dass Fahrradmechaniker und -monteur anspruchsvolle und vielseitige Berufe sind", sagt Ralf Niederlohmann, der zuständige Fachbereichsleiter im kammereigenen Bildungs- und Technologiezentrum (BTZ) in Halle. Dort soll am 14. Februar ein neues Ausbildungszentrum für die Zweiradbranche eröffnet werden.

"Wir wollen Zweiradmechaniker mit den Spezialisierungen Fahrrad oder Motorrad, Fahrradmonteure sowie Kfz-Mechatroniker für Motorradtechnik ausbilden", erläutert Niederlohmann. Neben der Ausbildung in den Heimatbetrieben und in der Berufsschule in Leipzig sollen die Lehrlinge in den überbetrieblichen Kursen in Halle durch sehr praxisorientierte Angebote zusätzliches und dringend benötigtes Rüstzeug für ihren Beruf vermittelt bekommen.

Dieses Programm soll auch den Handwerkskammern in Sachsen und Thüringen schmackhaft gemacht werden, wo die Lehrlingsausbildung der Zweiradbranche laut Bönicke und Niederlohmann ebenfalls Nachholbedarf hat. "Wir erwarten zur Eröffnung auch einige Vertreter dieser Kammern."

Die Image-Initiative der Handwerker für die Zweiradberufe könnte indes auch einen Positiv-Effekt für die Industrie- und Handelskammer (IHK) haben. Dieser Kammer gehören rund 90 Firmen an, deren Schwerpunkt beim Fahrrad-Verkauf und nicht beim Service liegt. Die Probleme sind aber vergleichbar: Über die IHK werden ebenfalls Fahrradmonteure ausgebildet. "Seit 2004 hatten bei uns pro Jahr acht, neun Lehrlinge angefangen. 2012 war es nur noch einer ", sagt Simone Danek, IHK-Geschäftsführerin für Aus- und Weiterbildung.

Ein gut ausgebildeter Fahrrad-Mechaniker ist der 59-jährige Bernd Glaser aus Merseburg. Er besitzt sogar einen Meisterbrief und ist Inhaber des Fahrradhauses am Merseburger Markt. Das hat er von seinem Vater übernommen, der es vor 51 Jahren eröffnet hatte. Er kann die Aussage zum Verkaufsboom allerdings nicht bestätigen. "Als kleiner Fachhändler und Werkstattbetreiber muss man sich strecken", sagt er.

Die Konkurrenz sei groß. Schließlich könne man heute schon in jedem Baumarkt oder sogar im Supermarkt Räder kaufen. Und es gebe Werkstätten, die reparieren Räder für Hartz IV-Empfänger kostenlos, in den Wohngebieten helfen sich die Leute zudem untereinander bei Reparaturen. "Natürlich wäre es schön, wenn man Nachwuchs ausbilden könnte, aber dafür müsste auch die dafür notwendige Arbeit da sein. Ich könnte niemanden ausbilden, denn mir fehlt die Arbeit", sagt er.