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Aus Uni in die Altsteinzeit

Von Diana Dünschel 31.08.2007, 14:41

Frankleben/MZ. - Die jungen Leute stammen aus den USA, den Niederlanden, Großbritannien, Polen und natürlich aus Deutschland. Einige verbringen grabend ihre Semesterferien, andere wurden von ihren Universitäten freigestellt. Mindestens drei Wochen dauert ihr Einsatz, viele bleiben auch länger. "Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen", beschreibt es Enrico Brühl, einer der beiden Grabungsleiter.

Die Stimmung mitten im ehemaligen Tagebau ist gut, man verständigt sich mal in Deutsch, mal in Englisch. "Es macht viel Spaß, das Team passt super zusammen. Abends kochen wir gemeinsam, und an den Wochenenden gibt es Ausflüge nach Leipzig oder Halle", meint Birgit Brandeysky, die an der Uni Tübingen Ur- und Frühgeschichte studiert und dort auf einem Aushang am Schwarzen Brett von der Suche nach Helfern erfuhr.

"Die altsteinzeitliche Grabung in Neumark-Nord ist bei uns ein Begriff", versichert die 32-Jährige, die insgesamt fünf Wochen bleibt und schon auf praktische Einsätze bei anderen Ausgrabungen verweisen kann. "Ich sammle hier nicht nur Erfahrungen. Auch mein Blick für mögliche Fundstellen wird geschärft. Ich würde gern wiederkommen", versichert sie, die wie die anderen Studenten in einem Leunaer Schulgebäude untergebracht ist.

Trotz der großen Hilfe ist sich Enrico Brühl darüber im Klaren, dass es nicht gelingen wird, alle Funde - zirka 60 pro Quadratmeter, 100 000 insgesamt bislang - rechtzeitig zu bergen. Spätestens in einem Jahr wird der Bereich, der derzeit im Mittelpunkt des Interesses der Archäologen steht, überflutet. "Die Crew hat sich aufgeteilt und arbeitet in zwei verschiedenen Schichten", erklärt der Grabungsleiter.

Eine entstand vor rund 200 000 Jahren, die andere ist 120 000 bis 125 000 Jahre alt. Beide Male gab es offenbar eine Warmzeit. Doch kamen auch zweimal Menschen an das Ufer eines damaligen Sees, jagten und lagerten hier zumindest eine Zeit lang? Oder wurden ihre "Hinterlassenschaften" von höheren Uferbereichen vom Wasser zum Seegrund und damit zur zweiten Fundschicht herabgespült und täuschen die Fachleute noch ob ihres tatsächlichen Alters?

"Es wird Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte dauern, bis diese Untersuchung abgeschlossen ist. Man muss bedenken, dass heute noch Funde der Grabungen in Neumark-Nord der 80er Jahre ausgewertet werden, weil sich die Wissenschaftler immer neue Fragen stellen", weiß Enrico Brühl. Was zutage kommt, sind hauptsächlich Knochenreste erbeuteter Tiere, Feuersteingeräte mit deutlichen Schnittspuren, Muscheln und Überbleibsel heute noch am Schwarzen Meer vorkommender Schneckenarten. Alles wird säuberlich eingetütet und beschriftet. Der Archäologe nennt als Ursprung Bär, Nashorn und sogar Elefant, zeigt auf Teile von Rippen, Backenzähnen und Ellen und schwärmt dabei von der "wundervollen, herausragenden Knochenerhaltung". Aus dem Panzerfragment einer Sumpfschildkröte schließen er und der zweite Grabungsleiter Thomas Laurat, dass einmal ein sehr warmes Klima vorherrschte. "Doch selbst Mäusezähne sind für Experten hoch interessant", ist zu hören.

Selbst ein scheinbar ganz normaler Kieselstein wurde nicht wieder aussortiert. Der Grund ist einleuchtend: "Diese Sorte kann hier nicht natürlich vorkommen. Ihn benutzte einst ein Mensch als Schlagstein."