Zu baufällig Zu baufällig: Historischer Stall in Kühren muss abgerissen werden

Kühren - Pablo leidet, jammert, bellt - und vor allem guckt er tieftraurig. Aber Regina Greiner lässt sich nicht erweichen. Pablo muss in seinem Zwinger bleiben, „sonst büxt er wieder aus“.
Neulich erst lief sie ihrem entflohenen Schnauzer vergebens hinterher, „ich dachte, ich sehe ihn nie wieder“. Doch eine junge Frau aus dem Dorf brachte ihn zurück.
Über viele Jahre war der Stall ungenutzt
Seit der alte Stall auf dem Hof von Regina Greiner in Kühren abgerissen wird, hat Pablo leichtes Spiel. Er springt über die nur noch halbhohe Mauer - und ist fort. Das sei nicht schön, aber nicht zu ändern. Die Arbeiten auf ihrem Hof würde es Pablo eben leicht machen, sich davonzuschleichen.
Regina Greiner, gerade 70 geworden, hätte sich den Stallabriss gern erspart und vor allem das Geld, das sie dafür ausgeben muss, anderweitig eingesetzt, „für eine schöne Reise zum Beispiel“, sagt sie.
Der alte Vierseitenhof im Akener Ortsteil Kühren war in Teilen baufällig - und über viele Jahre schon ungenutzt. Regina Greiner ist hier geboren. Die Eltern ihres Vaters hatten die Wirtschaft aufgebaut. Sie waren Kleinbauern, Leineweber, womöglich auch Holzhacker, wie viele Männer zur damaligen Zeit.
Ihr Vater bekam den Hof 1951 überschrieben. Und als kurz darauf die LPG-Zeiten anbrachen, stand der Betrieb von jetzt auf gleich still. Was blieb, waren ein paar Schweine, die die Familie entweder zum Schlachter brachte oder selbst schlachtete, und die Hühner, „mehr oder weniger als Hobby“, sagt die Seniorin.
Stall wurde mit der Zeit immer baufälliger
Mit der Zeit wurde der Stall, dessen Mauer sich zuletzt deutlich sichtbar zur Straße neigte, immer baufälliger. „Es sah aus, als würde der Giebel gleich auf die Straße fallen“, berichtet sie. „Die Decke kam auch herunter.“ Damit bestand akut Handlungsbedarf. Die Bausubstanz zu erhalten, kam für Regina Greiner nicht in Frage. „Für wen denn?“ Zwar wohnt ihr Enkel Nico mit im Haus. Doch er käme nicht auf die Idee, hier wieder einen landwirtschaftlichen Betrieb aufzubauen, weiß die Großmutter. „Dafür müsste man Bauer mit Leib und Seele sein.“
Also blieb der Hausbesitzerin gar keine Wahl. Sie holte Angebote ein, um den baufälligen Teil ihres Hofes abreißen zu lassen. Dass man das im Dorf durchaus bedauere, mag sein; doch die Schäden an der Bausubstanz seien unübersehbar gewesen. Während das Wohnhaus 1928/29 gebaut wurde, sind einige der Ställe entschieden älter, wie alt genau, weiß sie nicht.
Christian Wage, dem das Rittergut Wörbzig gehört, bedauert, dass Regina Greiner zu diesem Schritt, zum Abriss, gezwungen war. Er findet es „traurig“, sieht aber auch, dass man handeln musste. Seit ein paar Wochen sind seine Männer hier zu Gange und reißen den Stall ein.
Gut erhaltene Steine sollen wiederverwertet werden
Dabei legen sie jene Mauersteine beiseite, die erhaltenswert scheinen und letztlich wiederverwertbar sind. „Es gibt dafür keine Technologie; das ist alles Handarbeit.“ Die Steine, schätzt er ein, seien hochwertig und würden kaum Auswaschungen aufweisen.
So könnte man sie zum Beispiel gut als Trockenmauersteine verwenden oder um ein Blumenbeet zu umranden. Wages Thema sind historische Baustoffe. Materialien, die nach seiner Auffassung nicht als Müll auf irgendeine Deponie gehören, sondern anderweitig nutzbar sind.
Wie die Steine von Greiners Vierseitenhof in Kühren. „Durch Witterungseinflüsse sind die Fugen extrem ausgespült worden“, sagt er. Das Gebäude habe sich „ein bisschen verschoben“, weil zum Beispiel die Zuganker in den Stahlträgern fehlten; die Zwischendecken waren zum Teil schon durchgesackt. Der Dachboden, schildert Christian Wage, sei nicht mehr zu betreten gewesen.
Schmerzliche Momente das Werk der Vorfahren zerstören zu müssen
Rund 30 Prozent der Steine, schätzt er, seien wiederverwertbar. Die sortieren seine Leute fachgerecht auf Europaletten, so dass sie abtransportiert werden können. Bis Ende Juni will er in Kühren fertig sein.
Dann zieht auf Regina Greiners Hof wieder Ruhe ein. Es tue ihr weh, erzählt sie, das Werk ihrer Vorfahren zerstören zu müssen; „sie haben sich alles vom Munde abgespart“.
Mittlerweile nimmt sie das Unausweichliche hin und freut sich für Pablo, der wieder auf dem Hof umhertoben kann, sobald das Gelände wieder gesichert ist. (mz)
