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Wurzeln zerstören Keller Wurzeln zerstören Keller: Martin Hielscher aus Radegast will Linde vor seinem Haus fällen lassen

Von Doreen Hoyer 06.06.2019, 05:00
Martin Hielscher zeigt eine der Baumwurzeln, die er im Kellerboden entdeckt hat.
Martin Hielscher zeigt eine der Baumwurzeln, die er im Kellerboden entdeckt hat. Ute Nicklisch

Radegast - „Achtung, Kopf einziehen!“ Größer als 1,65 Meter sollte man nicht sein, wenn man in den Keller des Hauses der Familie Hielscher in Radegast will. Die Decke hängt sehr niedrig. Aber viel interessanter ist ohnehin das, was auf dem Boden zu sehen ist: Baumwurzeln. Gleich mehrere von ihnen gehen durch den Keller hindurch.

Sie stammen, da ist sich Martin Hielscher sicher, von der alten Sommerlinde, die vor dem Haus an der Dessauer Straße steht. „Der Baum muss weg“, fasst der 47-Jährige zusammen. Denn die Linde verursache diverse Schäden am Haus. Nicht nur, dass die Wurzeln den Kellerboden angehoben hätten. Auch das Gefälle im Abwasserrohr stimme nicht mehr, so der Radegaster. Mehrfach habe es Verstopfungen gegeben. Im Wohnzimmer, ein Stockwerk über dem Keller, zeigt Hielscher Risse in den Wänden - auch die seien durch die Arbeit der Baumwurzeln entstanden.

Seit 2012 wohnt der gebürtige Thüringer im Haus. Welche Zerstörung der Baum angerichtet habe, habe er erst Ende 2018 bemerkt, als er den welligen Kellerboden öffnete und die Wurzeln entdeckte. Eigentlich will Martin Hielscher das Haus für seine Familie grundlegend renovieren. Das Dach ist schon gemacht, die Fassade ebenfalls. „Aber bevor ich hier noch einen Euro mehr reinstecke, muss erst der Baum mit seinen Wurzeln weg. Sonst hat das alles keinen Sinn“, sagt der 47-Jährige.

Verantwortung für die Line liegt bei der Stadt

Doch dieses Ziel zu erreichen, ist gar nicht so einfach. Wer ist eigentlich für die schätzungsweise 100 Jahre alte Linde am Fußweg verantwortlich? Die Stadt oder die Landesstraßenbaubehörde, weil der Baum an einer Landesstraße steht?

Allein die Klärung dieser Frage habe sich etliche Wochen hingezogen, berichtet Hielscher. Mehrere Anfragen später steht fest: Der Baum ist Sache der Stadt.

Er habe sich auch an den Bauhofleiter, Christian Volkmer, gewandt, erzählt Hielscher. „Es hieß: Wir kümmern uns.“ Der Schaden werde dem Kommunalen Schadenausgleich (KSA), einer Art Haftpflichtversicherung für Kommunen, gemeldet. Doch dann habe er lange nichts mehr gehört. Auch an Bürgermeister Thomas Schneider wandte sich der Radegaster: „Da hatte ich wirklich den Eindruck, der Mann will mir helfen.“ Inzwischen sei er aber auch von Schneider enttäuscht.

Grund dafür ist unter anderem das Ergebnis eines Treffens, bei dem Schneider, Volkmer und ein Vertreter der in der Landkreisverwaltung angesiedelten Unteren Naturschutzbehörde sich den Baum in Radegast ansahen. Der Mann von der Unteren Naturschutzbehörde habe den Baum als schön bezeichnet, er solle stehen bleiben, erinnert sich Hielscher. Der keinen Hehl daraus macht, dass er diese Einschätzung nicht versteht. Es sei doch offensichtlich, dass die Linde ein Problem sei.

Kostenvoranschlag einer Handwerksfirma für die Instandsetzung des Kellers: 13.500 Euro

Von der Pressestelle des Landkreises heißt es dazu, der Baum befinde „sich in einem guten Vitalitäts- und Pflegezustand. Die Linde ist Bestandteil einer gesetzlich geschützten straßenbegleitenden Baumreihe. “ Eine naturschutzrechtliche Befreiung, mit der die Fällung möglich würde, sei aber nicht ausgeschlossen. Entscheidend seien die Ergebnisse der Schadensaufnahme.

Hielscher hat derweil eine Vermutung, warum die Linde noch steht: „Wenn dieser Baum wegkommt, steht halb Radegast Schlange, um weitere fällen zu lassen. Und das wäre zu teuer für die Stadt.“ Denn viele seiner Nachbarn hätten ähnliche Probleme.

Er zeigt den Kostenvoranschlag einer Handwerksfirma für die Instandsetzung des Kellers und der Wände. 13.500 Euro. „Und es hieß, es könnte sogar noch mehr werden.“ Der KSA habe geantwortet, er werde gegebenenfalls für die Instandsetzung des Kellers und nur dafür zahlen - bei Vorlage eines separaten Kostenvoranschlags.

Doch wie sieht man in der Stadtverwaltung die Lage? Selbstverständlich verstehe man Hielschers Wünsche, aber feste Zusicherungen, den Baum zu entfernen, habe es nie gegeben, betonten Thomas Schneider und Christian Volkmer. „Ich kann auch nicht einschätzen, ob die Risse in den Wänden wirklich von den Wurzeln kommen“, sagt der Bauhofleiter. Möglicherweise liege es ja auch an der Anbindung zum Nachbarhaus?

Martin Hielscher hat schon einen Termin bei einem Anwalt vereinbart.

Hielscher sei in der Beweispflicht. Er müsse dem KSA Unterlagen und Bilder senden, die zeigen, dass die Wurzeln zum Beispiel die Abwasserrohre angehoben haben. Nötig sei auch ein Kostenvoranschlag, in dem Posten wie die Entfernung der Wurzeln aufgeführt werden - das fehle im von Hielscher eingeholten Voranschlag.

Es könne gut sein, dass später noch viele andere Radegaster Baumfällungen fordern würden, fügt Schneider an. Aber das sei nicht der Grund, warum der Baum vor Hielschers Haus noch stehe. Der KSA habe bislang eben nicht entschieden, den Schaden anzuerkennen, es fehlten die Beweise von Hielschers Seite. „Und wir können nur veranlassen, wozu wir legitimiert sind“, so Schneider. Wenn der Schaden reguliert werde, gebe es von KSA-Seite möglicherweise die Handlungsempfehlung, die Linde zu fällen. „Dann müssten wir als Stadt mit dem Landkreis nochmals debattieren.“ Der KSA selbst wollte sich auf MZ-Nachfrage nicht zur Sache äußern.

Martin Hielscher jedenfalls hat einen Termin bei einem Anwalt vereinbart. Als letztes Mittel, um sein Haus zu retten, wolle er die Stadt verklagen, sagt er. Und ein Gutachten in Auftrag geben. Von den Kosten dafür lasse er sich nicht abschrecken. (mz)

Weitere Wurzeln schlängeln sich quer durch den Keller.
Weitere Wurzeln schlängeln sich quer durch den Keller.
Ute Nicklisch
Die Linde steht dicht am Haus.
Die Linde steht dicht am Haus.
Ute Nicklisch