Ein Wunder zieht um Wie ein Logistik-Unternehmen nach und nach das Köthener Naumann-Museum leerräumt
Logistikunternehmen Hasenkamp bringt die 113 hochsensiblen historischen Vitrinen der Vogelsammlung aus dem Ferdinandsbau ins neue Quartier.

Köthen - Janko Rathke steht neben der Laderampe des Lkw, schaut entspannt in den blauen Himmel und schickt per Knopfdruck ein weiteres Mal den Aufzug hoch zu den Kollegen, die am offenen Fenster an der Rückseite des Ferdinandsbaus warten, dass es endlich weiter geht.
Die letzte Fuhre des Tages. Dann ist erst einmal Schluss für Hasenkamps Leute. Janko Rathke, eigentlich Bankkaufmann in leitender Stellung, ist einer der Spezial-Kunstpacker, die sich in den nächsten Tagen um die Schätze aus dem Köthener Naumann-Museum kümmern werden.
Hasenkamp ist ein Familienbetrieb in fünfter Generation. Ein Unternehmen aus Köln-Frechen. Seine Leute weltweit unterwegs - und gefragt. „Hasenkamp sind die besten“, weiß auch Christine Friedrich, die Geschäftsführerin der Köthen Kultur und Marketing GmbH.

Der Leiter des Naumann-Museums bleibt trotz des Stresses die Ruhe in Person
Trotzdem: Es geht ihr schlecht. Sie leidet. Und sie hofft, dass alles gut geht. Immerhin transportieren die Männer über einen Außenaufzug Vitrinen und Präparate der ornithologischen Sammlung von unschätzbarem Wert. Eine Sammlung, die Nationales Kulturerbe darstellt.
Bernhard Just sieht die ganze Sache gewohnt pragmatisch. „Zappelig zu sein, bringt auch nichts.“ Also bleibt der Leiter des Naumann-Museums die Ruhe in Person. Umringt von Schaukästen, die straff in Folie eingepackt und deren Kanten extra gesichert sind, in seinem bald leer geräumten Reich unterm Dach. „Dass wir hier raus müssen, wissen wir seit Oktober.“ Alles sei gut vorbereitet. Darauf verlässt er sich. Und auf die Erfahrung der weitgereisten Umzugshelfer, die an diesem Nachmittag in Köthen routiniert ihren Job erledigen und damit beginnen, die Exponate Johann Friedrich Naumanns in ihr Interimsquartier nur ein paar Hundert Meter weiter zu schaffen.
Dort werden die Schätze wohl Jahre zubringen. Das Dach des Ferdinandsbaus des Köthener Schlosses wird saniert, lasttragende Wände auch. Das dauert seine Zeit, weiß auch Bernhard Just und hofft, danach in ein saniertes Gebäude mit barrierefreiem Zugang zurückkehren zu können.
113 Vitrinen müssen fachmännisch verstaut und verladen werden
Noch nie, seit Johann Friedrich Naumann die Sammlung aufgebaut hat, hat sie diese Räume verlassen. Seit 1835, informiert der Museumsleiter, steht sie hier. Nun geht alles recht zügig. 113 Vitrinen müssen fachmännisch verstaut und verladen werden, „sie dürfen auf keinen Fall schräg gestellt werden“, weiß Bernhard Just. Circa 1.300 Vogelpräparate gilt es umzusiedeln.
Christine Friedrich ist immer wieder beeindruckt, wie perfekt Johann Friedrich Naumann gearbeitet habe. Es sei „ein Wunder, dass über 200 Jahre altes organisches Material erhalten ist“. Dirk Grundler ist Tage vor dem Umzug der Sammlung damit beschäftigt, die Schätze derart zu sichern, dass sie unversehrt in ihrem Übergangsdepot ankommen.
Er ist Vogelpräparator. Beauftragt von der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, der Eigentümerin des Gebäudes. In Köthen hat er sich vor allem um jene Vögel gekümmert, die wegen ihrer langen Beine und Hälse beim Transport am ehesten umfallen und Schaden nehmen könnten: Kranich, Storch, Flamingo zum Beispiel.
Styroporaufbauten in den Vitrinen sollen die empfindlichen Exponate schützen
Mit Styroporaufbauten in den Vitrinen gibt er den empfindlichen Exponaten so viel Sicherheit wie möglich. Doch das sei nicht in jedem Schaukasten machbar gewesen; die kostbaren Malereien darin durften auf gar keinen Fall in Mitleidenschaft gezogen werden, die Grundplatten mussten unberührt bleiben. Das habe die Restauratorin, die sich im Vorfeld über das Prozedere informiert hatte, ausdrücklich so veranlasst, „daran haben wir uns gehalten“.
Doch Dirk Grundler, zu Hause nördlich von Magdeburg und seit vielen Jahren gut bekannt mit Museumsleiter Bernhard Just, sieht in den Vorgaben kein Problem. „Der Vogel an sich schwankt zwar, fällt aber nicht um“, ist er überzeugt.
Anders zum Beispiel beim Flamingo, der zu den Präparaten zählt, die als weitaus gefährdeter gelten und folglich eine Sonderbehandlung erfahren. Mit einen Millimeter starken, verzinkten Eisendrähten durchbohrt Dirk Grundler vorsichtig den langen Hals des Tieres - und stabilisiert den Vogel auf diese Weise. Bernhard Just schmunzelt und versichert, dieser kleine Piks schade dem Präparat nicht.
Das Glas der Vitrinen im Naumann-Museum ist oft nur hauchdünn
Inzwischen machen sich die Hasenkamp-Kunstpacker wieder ans Werk, um die nächsten Vitrinen auf die Plattform des Aufzugs zu hieven. „Das Glas ist hauchdünn“, macht Rudolf Beran, gelernter Schreiner, auf eine Besonderheit dieses Transports aufmerksam. Keine Doppel- oder Dreifachverglasung, die für mehr Sicherheit sorgen würde.
Sein Kompagnon Udo Pfotenhauer, von Beruf Werkzeugmacher, wundert sich ein wenig, dass die Schaukästen samt Inhalt transportiert werden, was sehr selten sei; „aber es gibt eben Dinge, die kann man nicht entfernen“, weiß er inzwischen.
„Wir machen jeden Tag was anderes. Sind überall auf der Welt unterwegs.“
Erst vor ein paar Tagen haben sie im „Albertinum“ in Dresden Bilder Caspar David Friedrichs sicher verpackt und nach Russland transportiert. Davor Skulpturen im Hamburger Hafen gesichert. Und vor Jahren sogar die Tutanchamun-Ausstellung aus den Staaten zurück nach Kairo geholt. Für Udo Pfotenhauer der bisher spektakulärste Auftrag.
„Wir kommen alle aus verschiedenen Branchen“, erzählt Rudolf Beran. „Man schnuppert rein und bleibt - oder nicht.“ Unten am Lkw wartet mit Arno Büchel ein Hasenkamp-Urgestein auf die nächsten Vitrinen. Seit 1977 ist er dabei, seit seiner Lehre. Steffen Säwe, der Maschinen- und Anlagebauer aus Halle (Saale), ist erst nach der Wende hinzugekommen. Ihm gefällt die Abwechslung: „Wir machen jeden Tag was anderes. Sind überall auf der Welt unterwegs.“ Bis Ende nächster Woche erstmal in Köthen.