Erbbaupächter gesucht Was wird aus der Kirche Thurau? Gemeindekirchenrat und Landeskirche drücken sich vor Sanierung
Der Gemeindekirchenrat will das Gotteshaus in Thurau in Erbbaupacht geben. In der Hoffnung, dass jemand die Sanierung zahlt.

Thurau/MZ. - Dass die Kirchengemeinde Trinum kein Interesse daran hat, das ruinöse Gotteshaus in Thurau im Osternienburger Land zu sanieren, ist seit Monaten kein Geheimnis. Auch die in der Sache beratende Evangelische Landeskirche Anhalts lässt großen Widerwillen erkennen, sich des ambitionierten und kostspieligen Projektes anzunehmen. Nun soll der Gemeindekirchenrat den Beschluss gefasst haben, die Immobilie abgeben zu wollen. In Erbbaupacht. Das heißt, man bleibt weiter Eigentümer, überlässt das Objekt aber einem Dritten zur Nutzung.
Nichts Offizielles
Offiziell spricht darüber niemand. Erst recht nicht der zuständige Pfarrer Hans-Christian Beutel, der in einer E-Mail an die MZ auf ausdrückliche Bitte der Landeskirche zwar über den Stand der Verhandlungen, wie er sagt, informiert, gleichzeitig aber untersagt, darüber zu berichten, weil er den Zeitpunkt für ungünstig hielte und das die Verhandlungen gefährde.
Nach MZ-Informationen hat der Gemeindekirchenrat vor circa zwei Wochen zu mehreren potentiellen Interessenten Kontakt aufgenommen und ihnen das Angebot unterbreitet, die Thurauer Kirche in Erbbaupacht zu übernehmen. Darunter der „Förderkreis Thurauer Kirche“, der sich seit Jahren bemüht, den Mittelpunkt des Dorfes auch in den Mittelpunkt öffentlichen Interesses zu rücken.
Dietmar Krause, im benachbarten Zabitz zu Hause, bis Herbst vergangenen Jahres Mitglied im Gemeindekirchenrat Trinum und Abgeordneter für die CDU im Landtag Sachsen-Anhalts, verfolgt die aktuelle Entwicklung kopfschüttelnd. „Es geht nur darum, die Kirche loszuwerden“, unterstellt er. „Was will man auch mit einer Schrottimmobilie?“ In den vergangenen Monaten holt er immer wieder Politprominenz nach Thurau, um auf das Projekt aufmerksam zu machen. Ein Staatssekretär macht sich ein Bild. Auch Landrat Andy Grabner ist da gewesen. Und der im Frühjahr ausgeschiedene Kirchenpräsident Joachim Liebig wird sogar Mitglied im Förderkreis. Man solle sich nicht entmutigen lassen, rät er dem Verein. Dessen Ziel: Die Kirche muss im Dorf bleiben. Warum das Denkmal überhaupt in solch erbärmlichen Zustand ist, kommt öffentlich nie zur Sprache. Doch das spielt in den Bemühungen des Vereins, der unermüdlich um Unterstützung wirbt und Spenden sammelt, auch keine Rolle; es lasse sich schließlich nicht mehr ändern.
Absoluter Wille
Martin Olejnicki, vor Hans-Christian Beutel der für Thurau zuständige Pfarrer, betont immer: „Es ist wichtig, dass die Leute im Dorf dieses Projekt wirklich wollen.“ Sie wollen. Aber der Gemeindekirchenrat will offensichtlich nicht. Man müsste sich an einen Tisch setzen und einfach über alles in Ruhe reden – dafür plädiert nahezu jeder im Verein. Es bleibt eine Wunschvorstellung.
Auch Dietmar Sauer, Architekt in Köthen und mit dem Projekt befasst, erklärt auf Nachfrage der MZ, nicht die Gelegenheit erhalten zu haben, mit Hans-Christian Beutel beziehungsweise dem Gemeindekirchenrat als Eigentümer der Immobilie zu sprechen. Obwohl er es mehrfach versucht und angeboten habe, die Idee von einem „Zentrum für soziales Lernen“ unverbindlich vorzustellen.
Langer Dornröschenschlaf
Vermutlich im Jahr 1970 – genau weiß das niemand – gibt es in der Thurauer Kirche die letzte Trauung. 1984 lässt der damalige Kreisoberpfarrer Kanzel und Kirchenbänke entfernen. Damit wird das Gotteshaus in den Dornröschenschlaf geschickt. Daran vermag auch der 1997 gründete „Förderkreis Thurauer Kirche und Umgebung“ nichts zu ändern. Erst als sich vor gut zwei Jahren der neue Förderkreis mit Ortsbürgermeisterin Iris Schumacher an der Spitze formiert, kommt Bewegung in die Sache.
Die Ehrenamtlichen fangen an, Spenden zu sammeln. „Weil wir unsere Kirche erhalten wollen“, untermauert die Vorsitzende stets. Als man so viele Spenden auf dem Konto hat, um einen ersten großen Schritt zu gehen, holt sich der Verein Dietmar Sauer ins Boot. Er soll den tatsächlichen Sanierungsbedarf des Denkmals ermitteln, sodass man künftige Handlungsoptionen daraus ableiten könne. Der Verein unterschreibt einen Architektenvertrag. Etwas, das man im Gemeindekirchenrat und bei der Landeskirche als übergriffig bewertet. „Der Verein hat die Hälfte des Vertrages aus Spenden finanziert, um Zeit zu sparen“, schildert Dietmar Sauer. Daran sei nichts anstößig. Es werde hier niemand übergangen oder zu etwas gedrängt, unterstreicht er. Er schätze das Engagement des Vereins sehr und ist der Meinung: „Etwas Besseres kann der Kirchengemeinde gar nicht passieren.“
Im Büro von Dietmar Sauer hat man ermittelt, dass dem Dach bei einer möglichen Sanierung die oberste Priorität gelten muss. Alles andere müsse nicht sofort umgesetzt werden, allerdings bald. Grundsätzlich schätzt der Fachmann ein: „Der Patient kann noch gerettet werden, wenn in nächster Zeit etwas passiert.“
Offene Zukunft
Nun ist die Frage, wie es überhaupt mit der Kirche weitergeht? Ist eine Sanierung und spätere Nutzung realistisch? Oder schickt man die Kirche ein weiteres Mal in einen Dornröschenschlaf und nimmt in Kauf, dass sie irgendwann einfach in sich zusammenfällt? Und was passiert mit den Spenden, wenn hier nichts passiert? Das fragt sich zum Beispiel Dietmar Krause.
„Man muss die Bausubstanz schützen, wenn man das Objekt weiter nutzen möchten“, bekräftigt Architekt Dietmar Sauer und gewinnt immer mehr den Eindruck, dass es unter den Beteiligten vor allem an Konstruktivität fehle: „Wenn Befindlichkeiten wichtiger sind, als die Sache, kommen wir nicht voran.“
Wie sich der Gemeindekirchenrat die Zukunft der Thurauer Kirche vorstellt, ist nicht bekannt. Der Förderkreis will sich im November auf seiner Mitgliederversammlung mit dem Angebot beschäftigen und entscheiden, ob man in die Verhandlungen um einen Erbbaupachtvertrag einsteigt.