Keiner isst mehr Pommes Warum die Corona-Krise Kartoffelbauern so hart trifft

Prosigk - Kartoffeln kommen bei den Menschen in Sachsen-Anhalt natürlich auch während der Corona-Krise auf den Tisch. Doch der Blick in seine Lagerhalle bereitet Landwirt Olaf Feuerborn aus Prosigk (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) derzeit trotzdem große Sorgen. Etwa 1.000 Tonnen Kartoffeln lagern hier. Abnehmer findet der Landwirt dafür jedoch kaum.
Der Grund: Seine Kartoffeln sind für die Pommes-frites-Herstellung bestimmt. Doch die Fritten werden momentan kaum noch produziert. „Der Markt ist komplett zusammengebrochen“, sagt der 59-Jährige. Denn der Großteil der Pommes wird bei Fußballspielen, Kirmes und Volksfesten verkauft. Die sind aufgrund der Infektionsgefahr weiterhin untersagt.
Tierfutter statt Pommes: Bauern werden Kartoffeln nicht los
Feuerborn bleibt nun nichts anderes übrig, als seine Ernte an Stärkefabriken zu verkaufen. Hier wird aus den Kartoffeln Tierfutter hergestellt oder sie werden in Biogasanlagen verwertet. Für 100 Kilogramm Kartoffeln bekommt Feuerborn so etwa 2,50 Euro - in der Pommes-Herstellung wären es 15 Euro gewesen. „Das tut natürlich weh“, sagt der Bauer.
Die Coronakrise trifft die Kartoffelbauern zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Eigentlich soll der Ertrag im späten Frühjahr in die Fabriken gebracht werden. Die nächste Ernte steht bereits im August an. Doch bis dahin rechnet Feuerborn noch nicht mit einer Entspannung der Lage. Etwa 400.000 Tonnen Kartoffeln seien in ganz Deutschland derzeit übrig, schätzt er. Nach der nächsten Ernte im Sommer werden es noch einmal so viele sein. „Wir schieben riesige Mengen vor uns her“, sagt der Landwirt.
Landwirten fehlt Planungssicherheit für nächste Ernte
Und das Pommes-Geschäft braucht Vorlauf. Je nach Verwendung müssen die Kartoffeln unterschiedliche Eigenschaften mitbringen und entsprechend gezüchtet werden. Die Fastfoodkette McDonalds verlangt etwa nach besonders langen Kartoffeln, für die Herstellung von „Riffelpommes“ müssen sie hingegen besonders dick sein. Entscheidend für die beliebte gold-gelbe Färbung ist außerdem der Zuckergehalt.
Optimale Größe, Stärkegehalt und Zuckeranteil - um all das von der Züchtung bis auf den Teller zu gewährleisten, braucht es zwei Jahre Vorlauf. Doch worauf sollen sich die Landwirte aktuell einstellen? Wie viele Kartoffeln werden sie in Zukunft überhaupt verkaufen können? „Es ist unklar, wann wieder Veranstaltungen stattfinden. Wir hängen total in der Luft“, sagt Feuerborn.
Für den Landwirt, der auch Präsident des Landesbauernverbands in Sachsen-Anhalt ist, sind die Kartoffeln die wichtigste Einnahmequelle. Insgesamt bewirtschaftet er 350 Hektar Ackerland. Neben Kartoffeln baut Feuerborn hier auch Getreide, Zuckerrüben und Raps an. Sein Hof in Prosigk ist ein Familienbetrieb. Außer ihm und seiner Frau arbeiten noch sein Sohn sowie zwei Angestellte in dem Unternehmen.
Corona sorgt für Einbußen bei Landwirten in Sachsen-Anhalt
Durch die Coronakrise hat er in diesem Jahr Umsatzeinbußen von etwa 150.000 Euro. Ein harter Schlag, denn bereits im vergangenen Jahr hat er 40 Prozent weniger Ernte eingefahren. Der Grund damals: die Trockenheit. Um nun trotz der Einbußen aufgrund der Coronakrise liquide zu bleiben, spielt Feuerborn mit dem Gedanken, einen Teil seines Ackerlandes zu verkaufen. „Das macht kein Landwirt gern.“
Und nicht nur die Kartoffelbauern trifft die Krise: Laut Feuerborn leiden auch die deutschen Milchbauern unter den geschlossenen Grenzen etwa nach Italien. Das Land ist ein wichtiger Abnehmer deutscher Milchprodukte. „Dieser Weg ist komplett weggebrochen“, sagt Feuerborn. Der darauf folgende Warenüberschuss in Deutschland treibe zusätzlich die ohnehin schon niedrigen Preise auf dem Markt im Inland nach unten. Denn die Produktion ließe sich nicht einfach anhalten. „Man kann bei einer Kuh nicht einfach den Milchhahn zudrehen.“
Bauer hofft, dass regionale Produkte mehr gekauft werden
Um die schwindenden Einnahmen auszugleichen, hat Olaf Feuerborn wie viele Landwirte begonnen, weitere Standbeine aufzubauen: Neben einem Direktverkauf von Kartoffeln an Kunden aus der Umgebung steht dabei das Erlebnis Landwirtschaft im Mittelpunkt. In ein paar Wochen öffnet er sein Erdbeerfeld. Hier können Kunden sich dann für einen Beitrag selbst Früchte pflücken. Im Herbst lädt Feuerborn seine Kunden dann ein, sich ihre Kartoffeln selbst vom Feld zu ernten. „Ich hoffe, dass es so eine Rückbesinnung zur Natur und zur Landwirtschaft gibt.“
Denn dass Landwirte seit Jahren immer weniger Geld für ihre Produkte bekommen, das sei auch ein gesellschaftliches Problem, sagt Feuerborn. Beim Handel mit den großen Lebensmittelketten stehen die deutschen Bauern in ständiger Konkurrenz mit Landwirten aus der ganzen Welt. Ein Problem, denn in Deutschland herrschen meist strengere Auflagen, die Produktion ist oft teurer als im Ausland. Seit Jahren werde die Preisschraube hier nach unten gedreht, sagt Feuerborn. „Das untere Ende ist jetzt erreicht.“ Er wünscht sich deshalb ein Label, dass den Kunden im Supermarkt klar zeigt, welches Produkt aus der Region kommt. „Mir ist wichtig, dass der Kunde das sieht.“
Der Landwirt hat angesichts der Corona-Krise eine Hoffnung: Feuerborn wünscht sich, dass den Menschen der Wert der Landwirtschaft wieder stärker bewusst wird. Werden Grenzen geschlossen, versiege der Warenstrom aus vielen anderen Ländern. Feuerborn rechnet damit, dass etwa der Nachschub an exotischen Früchten in den kommenden Wochen knapp wird. „Die Krise macht uns allen klar: Wir müssen uns selbst versorgen können.“ Dafür brauche es eine gesunde Landwirtschaft. „Ich glaube, die Krise wird bei vielen Menschen zu einem Umdenken führen.“ (mz)