Von der Dose in den Tankzug
Köthen/MZ. - Alte Kollegen
Aber auch ein Bauminister kann gute Gründe dafür haben, sich in dem Unternehmen umzusehen, wo Bautenlacke fast aller Art produziert werden. Zum einen müsse sich ein Bauminister auf dem Laufenden halten über die Produktion von Anstrichen, die bei der Sanierung oder im Denkmalschutz Anwendung finden, stellte Daehre klar. Zum anderen aber war die Reise nach Köthen für Karl-Heinz Daehre auch ein Ausflug in die berufliche Vergangenheit. Woran eine besondere Privatpost schuld war, die der 63 Jahre alte Minister jüngst erhalten hat. "Ich habe vor kurzem meinen Rentenbescheid bekommen", sagt Daehre. Und in dem ist auch die Summe aufgelistet, die sich der Diplomchemiker und spätere Dr. rer. nat. Daehre in 22-jähriger leitender Tätigkeit im Magdeburger Institut für Lacke und Farben als Rentenanspruch verdient hat.
Über 50 Prozent Export
Will heißen: Daehre kommt aus der Branche und kennt auch Lacufa-Geschäftsführer Gert Walther, der es sich nicht nehmen ließ, den alten Kollegen selbst in Köthen zu empfangen und gemeinsam mit Werkleiter Hans-Jürgen Bauer durch die Hallen zu führen, die sich seit Daehres Farb-Zeiten längst erheblich verändert haben.
Zum Beispiel die Abfüllung. Dort hat der Minister noch selbst gearbeitet, "denn das war ja in der DDR so üblich, dass man auch auf die Weißkittel zurückgriff, wenn man in der Produktion Leute benötigte". Da habe er sich morgens in Magdeburg in der Zug gesetzt, sei nach Köthen gefahren und habe seine Schicht an der Maschine durchgezogen. "Da habe ich mitgeholfen beim Aufbau der Sowjetunion", sagt Daehre. Zu DDR-Zeiten nämlich hatte der VEB Lackfabrik, in Köthen gemeinhin nur "Lackbude" genannt, zwar im Jahr die gigantische Menge von 50 000 Tonnen Lack produziert, aber allein 36 000 Tonnen davon gingen in die UdSSR.
Heute produziert Lacufa, seit Mai 1992 zur Caparol-Gruppe (Markenzeichen: ein bunter Elefant) gehörig, wieder rund 15 000 Tonnen Lacke im Jahr, womit sich das Unternehmen gut erholt hat seit dem Wendetief. Und man verkauft auch einen erklecklichen Teil der Produktion, nämlich 15 bis 20 Prozent, wieder in Staaten des ehemaligen Ostblocks. 120 Mitarbeiter, darunter regelmäßig fünf, sechs Auszubildende, stehen in der Köthener
Augustenstraße in Lohn und Brot, womit sich die Zahl der Beschäftigten seit dem Knick im Jahr 1990 verdoppelt hat.
Neu"Allein in Köthen", so Gert Walther, "werden inzwischen 3500 einzelne Verkaufsartikel hergestellt." Neueste Entwicklung im modernsten Werk für Bautenlackherstellung in Europa ist das Industriegeschäft, bei dem man Einbrennlacke für Getränkedosen produziert. Das war nicht nur mit einigen Umbauten verbunden, sondern das stellt zusätzliche Ansprüche an die Qualität der Fertigung. "Die Dosenhersteller haben ein spezielles Audit für Lieferanten, die Anforderungen mussten wir erfüllen." Für Lacufa Köthen ist das Industriegeschäft auch der Schritt in eine neue logistische Ära. Wurde der Lack bislang in Dosen und Eimer abgefüllt, geht die Produktion in diesem Sektor per Tankzug auf die Reise - 20 Tonnen Einbrennlack auf einmal.
Weltweite Referenzen
Dass man die hohen Standards dauerhaft erfüllt, davon ist man bei Lacufa Köthen überzeugt. Aus gutem Grund: Die Liste der Referenzobjekte ist beeindruckend genug. Köthener Farben wurden nicht nur bei deutschen Vorzeigebauten verwendet, wie der von Hundertwasser entworfenen "Waldspirale" in Darmstadt, sondern auch bei Bauten des Welterbes: Die Türme der berühmten Basilius-Kathedrale in Moskau tragen ebenso Caparol-Farbe wie der Rote Turm des Kreml in der russischen Hauptstadt dank des Lackes aus Köthen wie neu aussieht.
Für den Minister gab es an alter Wirkungsstätte ein Erinnerung, die nicht ganz so weit in die Geschichte zurückgreift, dafür aber zur privaten Historie passt: Eine Dose Fensterlack aus DDR-Produktion, "original abgefüllt, original verpackt", wie Werkleiter Bauer betonte, "Einzelverkaufspreis 7,90 DDR-Mark." Das konnte der Minister problemlos annehmen, ohne dass es als Vorteilsnahme ausgelegt werden dürfte.