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Videos zum Jubiläum Videos zum Jubiläum: In Großpaschleben entstehen mehrere Beiträge zur Mundart

Von Stefanie Greiner 09.08.2020, 12:00
In seiner Rolle als Christoph Hobusch singt Karsten Lückemeyer ein Geburtstagsständchen zum Wäschkejubiläum.
In seiner Rolle als Christoph Hobusch singt Karsten Lückemeyer ein Geburtstagsständchen zum Wäschkejubiläum. Ute Nicklisch

Großpaschleben - Mit seiner Gitarre nimmt Karsten Lückemeyer in der Wäschkestube Platz und stimmt ein Geburtstagslied an: „Happy birthday, happy birthday to you“, beginnt er. Vor ihm steht ein Handy auf einem Stativ. Ein weiteres Handy hat Yayan Budiman in der Hand. Auch er filmt das Geburtstagsständchen in der Gaststätte in Großpaschleben.

Karsten Lückemeyer, den viele als „Astronaut Peter Ghost“ kennen, spielt an diesem Tag Christoph Hobusch. Dessen Witz und Schlagfertigkeit und nicht zuletzt der fehlende Respekt vor der herzoglich-anhaltinischen Obrigkeit machten das „Dessauer Original“ seinerzeit berühmt. Viele seiner Geschichten wurden mündlich und später auch schriftlich in alter Dessauer Mundart überliefert.

Mundart. Die führt Karsten Lückemeyer als Christoph Hobusch an diesem Tag nach Großpaschleben. Hier lebte mit Hermann Wäschke ein bekannter Mundartdichter. Vor 170 Jahren wurde er in dem Dorf geboren, das heute zur Gemeinde Osternienburger Land gehört. Mit Lesung und Dorfrundgang wollten die Großpaschlebener das Jubiläum feiern. Die Corona-Krise mit ihren Einschränkungen machte das jedoch unmöglich.

140. Geburtstag des Mundartdichters soll mit einer Video-Reihe gewürdigt werden

Unbeachtet vergehen lassen wollen die Großpaschlebener das Jubiläum allerdings nicht. Sie gehen dafür einen völlig neuen Weg und wollen den 170. Geburtstag des Mundartdichters mit einer Video-Reihe würdigen. Kurze Geschichten sollen an verschiedenen Orten in Mundart vorgelesen werden. Die Videos werden auf der Internetplattform „Youtube“ zu sehen sein. Im Moment laufen die Aufnahmen.

In alter Dessauer Mundart, räumt Karsten Lückemeyer ein, würde er nicht sprechen. Vielmehr in mitteldeutschem Dialekt. Er wuchs in Mosigkau auf. „Obwohl ich uffs Dorf lewe, haben mich meine Eltern hochdeutsch erzogen“, erzählt er. „Als ich in die Schule kam, hatten wir Kinder aus Chörau bei uns mit in der Klasse. Und ich war entsetzt über dieses kimste ma bei mich. Ich habe die Welt nicht mehr verstanden.“ Heute gehe er „mit offenen Ohren durch die Gegend“ und eigne sich dadurch Dialekte an.

Was sich ursprünglich nur um Hermann Wäschke drehen sollte, ist inzwischen zu einem großen Projekt zur Mundart in der Region herangewachsen. Die Großpaschlebener haben sich einige Unterstützer dazu geholt. Unter anderem die Dessauer Mundartgruppe, zu der Karsten Lückemeyer gehört.

Mit den Videos verfolgt man gleich mehrere Ziele

Die Jugendkirche des Dorfes stellt Technik bereit und unterstützt das Projekt logistisch. Für Kreisjugendpfarrer Martin Olejnicki eine Selbstverständlichkeit. Zum einen, um einander zu unterstützen. Jugendkirche und Verein haben schon bei anderen Projekten zusammengearbeitet.

Zum anderen, weil ihm das Thema gefällt. „Ich finde es wichtig, dass man alte Dialekte erhält und nahebringt“, sagt der Pfarrer. Der Verein „Paschlewwer Vier Jahreszeiten“ versucht, Fördermittel für das Projekt zu bekommen.

Mit ihren Videos verfolgen die Großpaschlebener gleich mehrere Ziele. „Wir versuchen, mit den Videoclips ein junges Publikum zu erreichen“, sagt Gernot Panitz, Ortsbürgermeister von Großpaschleben. Und dieses Publikum für Mundart zu begeistern. Sie wollen zugleich Künstler unterstützen, die wegen der Corona-Krise kaum Auftrittsmöglichkeiten haben. Künstler wie Karsten Lückemeyer.

In Großpaschleben erinnert heute noch einiges an Hermann Wäschke, den berühmten Mundartdichter, der am 21. Mai 1850 hier geboren wurde. Darunter sind Gedenkstein und Gedenkplakette, außerdem Straßennamen wie „Im Jutshowwe“ und „An der Howwefahrt“.

Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Sein Vater starb früh, so dass die Mutter die sechs Kinder allein großziehen musste. Hermann Wäschke machte am Ludwigsgymnasium in Köthen das Abitur mit Auszeichnung, studierte Philologie in Leipzig und promovierte und arbeitete als Lehrer in Dessau und Zerbst. Er übernahm die Leitung des Herzoglichen Haus- und Staatsarchivs in Zerbst und wurde zum Geheimen Archivrat ernannt. Er starb am 27. November 1926 in Zerbst.

Hermann Wäschke gab zahlreiche Publikationen heraus. Am bekanntesten dürften seine „Paschlewwer Jeschichten“ sein, in denen er im Dialekt über die Gebräuche in seiner Heimat schreibt.

Blumen haben Mitglieder des Vereins „Paschlewwer Vier Jahreszeiten“ bereits am Denkmal abgelegt

Das Vorbild war Köthen. Hier setzte die Firma Megaton zusammen mit der Köthen Kultur und Marketing GmbH über mehrere Wochen ein Streaming-Projekt um. Unter dem Motto „Kultur findet statt (und) trotz(t) Pandemie“ wurden die Auftritte von Künstlern aufgezeichnet und im Internet gezeigt.

Eine große Hilfe ist Yayan Budiman aus Indonesien. Er studiert Biotechnologie an der Hochschule Anhalt in Köthen. Auf seiner Youtube-Seite gibt er Deutschkurse und erklärt, wie das Studieren in Deutschland läuft. Er filmt und arbeitet am Konzept des Mundart-Projektes mit.

Gefilmt wird mit bis zu drei Kameras. Das Material wird am Computer zu fünf bis acht Minuten langen Beiträgen zusammengeschnitten. Wann genau die Videos zu sehen sein werden, kann Gernot Panitz noch nicht absehen. Im September, schätzt er.

Interessiert verfolgt Heidrun Wersich, was an diesem Tag in der Wäschkestube passiert. Sie hält das Erbe des Mundartdichters am Leben und ist froh darüber, dass das Wäschkejubiläum nicht unbeachtet vorüberzieht. Blumen haben Mitglieder des Vereins „Paschlewwer Vier Jahreszeiten“ bereits an seinem Geburtstag am 21. Mai am Denkmal abgelegt. (mz)

Ein Gedenkstein erinnert an den Mundartdichter.
Ein Gedenkstein erinnert an den Mundartdichter.
Ute Nicklisch