Verletzte Krähe im Garten Verletzte Krähe im Garten: Köthener will nur helfen - verzweifelt aber an den Behörden

Köthen - Er habe die Bruchlandung nicht gesehen, erinnert sich Werner Mann. Wohl aber gehört. Mit einem Klatschen landete am Dienstag vergangener Woche ein Vogel, offenbar eine junge Krähe, im Garten des Mehrfamilienhauses, in dem der Köthener wohnt.
Das Tier war augenscheinlich verletzt. Es konnte zwar ganz gut durch das Gras hüpfen. Doch Flugversuche endeten nach wenigen Zentimetern mit weiteren unsanften Bruchlandungen. Kein Wunder: Der rechte Flügel der Krähe hing merklich herunter, war möglicherweise gebrochen.
Mit etwas Brot und auch Katzenfutter versuchten deshalb die Hausbewohner, das Tier zu füttern - so richtig angenommen hat die Krähe das nicht. „Ich hatte wirklich Angst, dass sie hier vor unseren Augen langsam verhungert“, sagt Werner Mann.
Der Köthener und auch eine Nachbarin bemühten sich deshalb gleich nach der Bruchlandung der Krähe, Hilfe zu organisieren. Doch das erwies sich als schwierig. Wer ist in einem solchen Fall überhaupt zuständig?
„Verletzte Wildtiere gehören nicht in den Zuständigkeitsbereich des städtischen Ordnungsamtes“
Die Anwohner wandten sich zunächst an das Tierheim, in der Hoffnung, ein Mitarbeiter werde den Vogel abholen und versorgen. Doch es tat sich nichts, weshalb Werner Mann schließlich Anfang dieser Woche die Köthener MZ benachrichtigte.
Das Tierheim sei für Wildtiere gar nicht zuständig, erfährt die Redaktion dort auf Nachfrage. Im Heim verweist man auf das Ordnungsamt und die Untere Naturschutzbehörde beim Umweltamt des Landkreises, an die man das Problem weitergeleitet habe.
Das Ordnungsamt der Stadt, das ohnehin einen Vertrag über die Aufnahme von Haustieren in Not mit dem Köthener Tierheim hat, ist ebenfalls nicht zuständig, wie sich herausstellt. „Verletzte Wildtiere gehören nicht in den Zuständigkeitsbereich des städtischen Ordnungsamtes“, so Stadtsprecherin Caroline Hebestreit.
Köthener Tierpark wiederum hat schon öfter verletzte Wildvögel aufgenommen und gepflegt
Der Köthener Tierpark wiederum hat schon öfter verletzte Wildvögel aufgenommen und gepflegt. Allerdings gehe es dabei um Arten, die unter Naturschutz stünden, so Leiter Michael Engelmann. Bei einer nicht eben seltenen Krähe wäre man also eher nicht zuständig. „Wenn sie sich außerdem wirklich einen Flügel gebrochen hat, wird der wahrscheinlich nie wieder richtig zusammenwachsen können.“ Vielleicht sei das Tier dann eher ein Fall für den Jäger, der es gegebenenfalls erlösen müsste.
Carola Hübner von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises schließlich verspricht am Dienstagnachmittag, mit Werner Mann Kontakt aufzunehmen und sich um den Vogel zu kümmern. Man habe bislang nichts von dem Fall gewusst, sonst wäre man früher tätig geworden, so die Sachgebietsleiterin Naturschutz und Forsten. Der Vogel sollte zunächst erst einmal im Garten eingefangen werden. „Und dann schauen wir, wie wir weiter verfahren.“ Auf jeden Fall sei es nicht erlaubt, ein Tier „ohne vernünftigen Grund“ einfach zu töten, betont Hübner.
„Das Tier hat offensichtlich mit seinem Verschwinden das bürokratische Problem gelöst“
Tatsächlich sprachen umgehend zwei Mitarbeiterinnen bei Werner Mann vor - und mussten unverrichteter Dinge gehen.
Denn als ob er geahnt hätte, dass ein Zufluchtsort für verletzte Krähen in der deutschen Bürokratie nicht so einfach zu finden sei, hatte der Vogel sein Schicksal selbst bestimmt. Nach gut einer Woche in Werners Garten, in der sich die Krähe vielleicht einigermaßen erholen konnte, sei sie auf einem Marillenbaum immer höher geklettert, von dort dann auf die angrenzende Mauer gesprungen und schließlich in der Nachbarschaft verschwunden.
„Das Tier hat offensichtlich mit seinem Verschwinden das bürokratische Problem gelöst“, scherzt Werner Mann. Die Mitarbeiterinnen des Umweltamtes hätten ihm übrigens versichert, er habe sich ganz korrekt verhalten. Und für das nächste Mal weiß er nun gleich, welche Behörde zuständig ist. (mz)
