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Veranstaltung Veranstaltung: Über und unter dem Gürtel

Von Luisa Peine 09.04.2013, 17:36
Das Köthener Publikum ist begeistert.
Das Köthener Publikum ist begeistert. Heiko Rebsch Lizenz

Köthen/MZ - Ausverkauftes Haus. Der Johann-Sebastian-Bach-Saal in Köthen platzte am Wochenende aus allen Nähten. Kein einziger Sitzplatz war unbesetzt, sogar die Loge konnte keine Person mehr fassen. Kein Wunder, denn die schräg-schrille, etwas andere Revue – mit namhaften Künstlern aus den bekanntesten Kabaretts Deutschlands – machte auf ihrer Tournee Station in der Bachstadt. „Zauber der Travestie“ begann Punkt 20 Uhr. Die Musik verstummte, das Getuschel in den Reihen auch – der Vorhang öffnete sich mit einem Glockenschlag. „Uns wurde heute ein affentittengeiles Publikum hier in Köthen versprochen“, eröffnete Fräulein Luise den Abend und bekam prompt, was sie sich wünschte: Einen tosenden Applaus, der sie glücklich machte. Doch sie entdeckte schnell den einen oder anderen, der noch nicht so recht fröhlich dreingucken wollte. Worauf flink der nächste zwei- bis dreideutige Witz erfolgte, womit auch gleich der Rahmen vorgegeben wurde, den die knapp dreistündige Liveshow erhalten sollte: Witze, die nicht selten unter die Gürtellinie gehen sollten oder dem guten Geschmack widersprachen.

Das muss nicht den Publikumsgeschmack zuwiderlaufen, wie man erkennen konnte - die 400 Gäste jedenfalls waren sofort begeistert dabei, klatschten und sangen schon bei den ersten bühnentauglichen Liedern mit.

Nähe zum Publikum, das in der Regel aber wusste, worauf es sich eingelassen hatte, gehört zum Grundprinzip der Veranstaltung: Luise erkor gleich ihre „Lieblinge“ des Abends - Dieter und Christian aus der ersten Reihe. Auf die beiden armen Herren aus Köthen hatte sie ein besonderes Auge geworfen. Ihre Kollegin Elke Winter verzauberte mit glasklarer Stimme – und ebenfalls Humor, der ohne Umschweife in die Kategorie „schwarz“ einzuordnen war. „Sie amüsieren sich, ja? Sagen Sie das mal lieber auch ihrem Gesicht“, duldete sie keine missmutigen Blicke. Auch bekannte Fernsehgrößen wie Florian Silbereisen bekamen ihr Fett weg – mitunter nicht ganz jugendfrei, manchmal auch schlichtweg platt, ob es nun um Erfahrungen auf der Hamburger Reeperbahn ging oder um Probleme mit betrunkenen Freiern oder um die Arbeit auf dem Kreuzfahrtschiff „Aida“, wobei man sich da keine Sorgen machen bräuchte, denn es würden nur deutsche Kapitäne die Schiffe steuern. Denn „die Italiener sind ja bekanntlich Aufreißer“ - eine etwas arg flapsige Anspielung auf das Unglück der Costa Concordia.

Der Körper beginnt, sein Eigenleben zu führen

Wirklich sehens- und hörenswert war das Bühnenteam beim Singen und Tanzen: Elke Winter begeisterte mit dem Albers-Klassiker „Auf der Reeperbahn nachts um halb 1“ das Publikum und brachte alle ohne Umwege zum Mitsingen und Schunkeln. Heiß wurde es, als Ireen Sue von den Philippinen zu einem Medley von Jennifer Lopez- und Beyoncé-Hits gekonnt auf schwindelerregenden Absätzen die Hüften schwang und völlig jugendfrei die Hüllen fallen ließ. Ein Hingucker nicht nur für die weiblichen Besucher, denn ob Mann oder Frau, das war nur ganz schwer zu erkennen. Diego aus Spanien coverte französische Chansons und verwandelte sich währenddessen von Frau in Mann, brachte den Saal zum spanischen Chorgesang, legte eine heiße südländische Sohle aufs Parkett und holte die spanische Lebensfreude locker-leicht auf die Bühne. Seine „Kollegin“ aus Frankreich imitierte Mireille Mathieu und gab ihre größten Hits zum Besten, tanzte sogar mit Dieter aus dem Publikum. Große Begeisterung rief der Auftritt von Leslie Anderson hervor, die mit „Smoke gets in your eyes“ den Saal zum Beben brachte. Die Dame aus Köln brachte einen Witz nach den anderen, zum Beispiel klärte sie auf, dass man ab 30 nicht alt wird, sondern nur der Körper beginnt, sein Eigenleben zu führen.

Diejenigen im Saal, denen das ein wenig zu speziell war, bekamen immer wieder mehr oder minder deutliche Aufforderungen, gefälligst Beifall zu spenden, verbunden mit einer klaren Warnung: „Die Evolution nimmt dir deine Arme wieder ab, wenn du noch weniger klatscht.“

"Wir haben allerhand Kalorien beim Lachen verbrannt"

Am Ende gab es aber auch Lob für die Frauen und Männer im Johann-Sebastian-Bach-Saal. „Sie waren ein ganz tolles Publikum“, lobte Conferencierin Fräulein Luise schlussendlich, „und wir freuen uns, nächstes Jahr wieder in den Schuhkarton nach Köthen zu kommen.“ Und am Ende zeigte sie sogar ihr „wahres“, männliches Gesicht. Gemeinsam sangen sie abschließend in verschiedene Sprachen den Klassiker „My Way“. Die Zuschauer waren völlig aus dem Häuschen, sie gaben den sechs fraulichen Männern oder männlichen Frauen Standing Ovations, begleitet von begeisterten „Zugabe“-Rufen.

„Ganz, ganz toll“, schwärmte Marlies Härtling. Der Osternienburgerin gefielen vor allem Fräulein Luise und Leslie Anderson. Solveig Weber aus Zehmigkau bereute nicht, den Weg in den Bachsaal gefunden zu haben: „Es ist ein schönes Programm und es machte sehr viel Spaß zuzusehen.“ Peggy Krautwald aus Edderitz hat sich zum ersten Mal eine Travestieshow angesehen und ist sehr angetan von den Damen beziehungsweise Herren. „Wir haben allerhand Kalorien beim Lachen verbrannt. Es ist wirklich sehr gut, was die Künstler hier abgeliefert haben“, spricht Marlies Härtling für ihre ganzen Kolleginnen der Köthener Sparkasse.