«Unsere Stärke ist der persönliche Kontakt»
Köthen/MZ. - "Ich hoffe sehr, dass es für Eltern und ihre Kinder keine Hürde ist, bei uns vorbeizukommen, wenn sie Unterstützung brauchen. Im Unterschied zu Fachärzten therapieren wir nicht. Wir beraten, wir versuchen zu helfen."
Seit Julia Germann an Bord ist, ist die Beratungsstelle wieder voll besetzt. "Wir können nun verstärkt Angebote unterbreiten, uns neuen Themen widmen und mehr für die Bekanntheit der Einrichtung tun", kündigt deren neue Leiterin an. Da es in Köthen keinen Kinder- und Jugendpsychologen gibt, sieht sie die Beratungsstelle besonders gefordert - an der Seite der Eltern bei der Erziehung ihrer Sprösslinge.
Die Stelle beim DRK zeigt ihr, wie vielseitig ihr Beruf tatsächlich ist. "Das war ein Grund, warum ich mich für Psychologie entschieden habe. Und ich wollte mit Menschen arbeiten." Gemeinsam mit Diplom-Sozialpädagogin Stefanie Gläsel betreut sie Familien, die im ehemaligen Kinderkrankenhaus in der Köthener Siebenbrünnenpromenade vorsprechen. "Jeder braucht eine individuelle Betreuung. Kein Fall ist wie der andere, weil die Umstände und die Charaktere selten vergleichbar sind. Man muss sich auf jeden Einzelnen neu einstellen." Da sind Eigenschaften gefragt, die Julia Germann durchaus bei sich sieht: Kontaktfreudigkeit, Flexibilität, Belastbarkeit.
"Die Familien, die zu uns kommen, tun das häufig aus eigenem Antrieb, weil sie glauben, sich in einer Notlage zu befinden und dort allein nicht wieder herauskommen." Andere folgen dem Rat eines Arztes oder wurden von Lehrern aufmerksam gemacht, dass mit ihrem Kind etwas nicht stimmen würde. Der Anlass für einen Besuch in der Beratungsstelle kann sehr unterschiedlicher Natur sein: Durchschlaf- oder Einschlafprobleme bei den Kindern, Hyperaktivität und Aggressivität, soziale Unsicherheit und Ängstlichkeit, Lernschwierigkeiten, schlechte Noten, Prüfungsangst, Mobbing oder Essstörungen. "Eltern machen sich aus vielen Gründen Sorgen um ihre Kinder.", weiß die 25-Jährige, "wichtig ist, ihre Erwartungshaltung zu kennen. Was stört sie? Und was wollen sie erreichen?" Dies sei entscheidend für ein zielgerichtetes, persönliches Gespräch.
Julia Germann weiß, dass viele Erziehungsberechtigte verunsichert sind. Sie wissen nicht, ob ihr Kind ein normales Verhalten an den Tag legt oder eben nicht. Ratgeber-Bücher oder -Foren seien sehr beliebt, um sich kundig zu machen, verstärkten die Verunsicherung aber häufig nur. "Was in einem Buch steht, ist allgemein gültig, kann gar nicht konkret auf einen Fall gemünzt sein. Unsere Stärke", betont die studierte Psychologin, "ist der persönliche Kontakt zum Kind. Wir können sehr konkret ans Werk gehen. Uns interessieren die familiären Umstände. Wir können aufgrund all dieser Informationen dann eine Empfehlung aussprechen, um gemeinsam einen Weg aus der Krise zu finden."
Die Köthener Beratungsstelle ist unter der Rufnummer 55 51 11 zu erreichen.