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Tanz im Corona-Quadrant Tanz im Corona-Quadrant: "LMC Summer Open Air" in Köthen war optimistisch stimmender Testlauf

Von Mathias Bartl 21.07.2020, 09:06
Das Partygelände an der Baggerkiete war zum Abstand halten in mehrere Quadranten unterteilt.
Das Partygelände an der Baggerkiete war zum Abstand halten in mehrere Quadranten unterteilt. Sebastian Köhler

Köthen - Als Rainer Körnig und Enkeltochter Gina ihr Angelgeschirr auspacken, herrscht an der fischreichen Baggerkiete in Köthen noch samstägliche Vormittagsstille. Das wird sich ändern: Auf der benachbarten Wiese, verborgen hinter dichtem Brombeergestrüpp wird schon daran gearbeitet, die stille Kiete später mit Bass-Gewummer und Techno-Vibes erfüllen zu können.

Die Senke zwischen Bahngleisen und Schilfgürtel ist Köthens einstiger Party-Hotspot, der Live Music Circus, „das Zelt“, hatte hier seine Manege aufgeschlagen. Christian Penkuhn, der Community als DJ C.H.R.I.S., ein Begriff, hat hier seit 1995 aufgelegt und später - nach dem Ende der LMC-Ära - die alljährlichen Revival-Partys organisiert.

Im Juli 2020 ist Penkuhn wieder einmal dabei, die Legende „Zelt“ neu zu beleben. Vom 4. bis 6. September soll das Festival-Wochenende stattfinden - in den Zeiten von Corona ein durchaus herausforderndes Vorhaben, das von einer Vielzahl an Regularien förmlich eingeschalt ist.

Die Nachfrage war da - 500 Teilnehmer haben sich im Vorfeld via Internet angemeldet

Da kommt es Penkuhn gelegen, an diesem Sonnabend mit dem „LMC Summer Open Air“ quasi eine „Probe-Party“ organisieren zu können. In einem ungewöhnlichen Zeitraum. „Tagespartys kommen zwar immer mehr in Mode“, sagt der Veranstalter, „aber unsere Veranstaltung ist so ein Zwischending.“ Da müsse man erst einmal sehen, wie es ankommt.

Nachfrage jedenfalls war da. 500 haben sich im Vorfeld via Internet angemeldet. Für sie stampfen Penkuhn und seine Crew am Samstagvormittag eine Partylocation aus dem Trockenrasen. Gefeiert wird unter freiem Himmel.

Das Zentrum hat Penkuhn schon am Tag zuvor mit sechs Masten abgesteckt, die tief im Boden eingeschlämmt wurden und an denen im Dunkel viele Lichter leuchten sollen. Neben der Empore für die DJs werden auf Palettenkonstruktionen einige Moving Heads installiert, die den Dancefloor mit noch mehr bunten Lichtstrahlen zersägen werden.

Chris Penkuhn hat nach eigenem Bekunden lange über dem Konzept gegrübelt

Zwei Bars werden aufgebaut - große Zelte, vor denen genug Platz zum Anstehen bleibt, ohne dass man zu dicht aufeinanderhockt. Chris Penkuhn hat nach eigenem Bekunden lange über dem Konzept gegrübelt, das der Party überhaupt eine Chance auf Genehmigung bringen sollte. Die Grundideen sind coronisch: Viel Abstand, wenig Kontakt. Das Gelände wird mit rotweißem Flatterband wie ein Schachbrett zergliedert in Quadranten für jeweils zehn Personen - auch an die Laufwege dazwischen ist gedacht worden.

Irgendwann im Laufe des Tages kommt auch das Ordnungsamt und schaut sich an, was Penkuhn aufgebaut hat. Wobei nicht so sehr die Bühne Interesse findet, auf der die DJ stehen und auflegen, sondern alles andere: Die Zugangsmöglichkeiten, die Kontrollstellen, nicht zuletzt die elf Dixie-Toiletten, die das Partygelände im Südbereich begrenzen.

Das Ganze ist auch eine personalintensive Angelegenheit: Etwa 15 Leute sind beim Aufbau des Partyplatzes im Einsatz, später kommen noch sechs Mann Security dazu. Plus zwei Hygiene-Ordner - das sind Leute, die Partybesucher auf die Einhaltung der Regeln einschwören, falls sie denn welche verletzt haben. Ob das im Laufe der Stunden überhaupt passiert ist, überhaupt notwendig war, ist nicht zu recherchieren.

Wer tanzt, tanzt oft für sich; wer trinkt, hält den trinkenden Nachbarn auf Distanz

Festzustellen ist aber, dass sich das Publikum - keine Teenies, eher Leute in den Zwanzigern - selbst im Technorausch sehr kontrolliert verhält. Wer tanzt, tanzt oft für sich; wer trinkt, hält den trinkenden Nachbarn auf Distanz. Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Baggerkiete ist nicht der Ballermann. Penkuhn freut sich, weil seine Kunden gut drauf sind, weil die Musik spielt, weil die Nacht wie Samt und Seide ist. „Die Leute haben lange drauf gewartet, wieder feiern zu können. Jetzt feiern sie - und schnappen nicht über.“

Und sie sind teilweise von Jotwehdeh gekommen, von „janz weit draußen“ im Land. Die Autos auf dem Parkplatz tragen Kennzeichen von Leipzig, Hannover, München und Dessau, aus Braunschweig und Magdeburg.

„Wenn man nicht übertreibt“ - das könnte quasi das Motto des Abends sein

Aus einem der Magdeburger Fahrzeuge ist Julia gestiegen, zusammen mit zwei Freundinnen will sie in Köthen Spaß haben. Julia ist unübersehbar schwanger und sicher, dass ein wenig Unterhaltung in Köthen dem Baby nicht schadet. „Wenn man nicht übertreibt.“ Das könnte quasi das Motto des Abends sein: Chris Penkuhn nimmt aus der Nacht viel Optimismus mit für das Revival Anfang September. Unabhängig von noch notwendigen Modifizierungen. „Das wird klappen.“

Am Rande des Geschehens haben Rainer Körnig, in Anglerkreisen „Opa“ genannt, und Gina fast genauso lange an der Baggerkiete durchgehalten wie die Partygänger. Und sogar noch einen gewaltigen Graskarpfen angelandet. „Den haben wir aber gleich wieder reingeworfen“, sagt der Mann vom AC 66 Köthen. Wenn er angle, gehe es nicht so sehr um Beute als um die Unterhaltung. Insofern haben Körnig, Gina, Penkuhn und die Partylöwen und -löwinnen an diesem Samstag ohne es zu wissen, gut zusammengepasst. (mz)

Insgesamt sieben DJs sorgten für die musikalische Stimmung.
Insgesamt sieben DJs sorgten für die musikalische Stimmung.
Köhler
Aufbau des Zeltes für eine Bar
Aufbau des Zeltes für eine Bar
Matthias Nartl