Nach 39 Jahren «fällt der Vorhang»
Köthen/MZ. - "Was, Dr. Rubach geht?", rief überrascht eine Bekannte in Köthen, als sie die Nachricht hörte. "Ich habe auch bei ihm entbunden. Das ist inzwischen mehr als 20 Jahre her", fügte sie nachdenklich hinzu. "Wie die Zeit vergeht..."
Die Zeit ist auch für den Mediziner selbst wie im Fluge vergangen - auch wenn es mehr als 39 Jahre sind, die zwischen Heute und jenem Dezember 1966 liegen, an dem er unmittelbar nach einem Studium an der Humboldt-Uni in Berlin als Arzt am Köthener Krankenhaus angestellt wurde. Was hat den ausgesprochenen Großstädter - Rubach stammt aus Dresden - damals dazu bewogen, seine medizinische Laufbahn ausgerechnet in solch einer ländlichen Umgebung zu starten?
Zum einen war es seine Frau Karin, die nicht in einer Großstadt leben wollte. Beide haben gemeinsam studiert, er wollte Gynäkologe werden, sie Allgemeinärztin.
Zum anderen lag der Umzug nach Köthen am System, nach dem junge Diplomspezialisten in der DDR in der Regel ihre erste Arbeitsstelle erhielten: Sie wurden zentral vermittelt. Wie dem auch sei: Das junge Ehepaar - beide hatten kurz zuvor geheiratet - landete in Köthen. Und blieb hier.
"Damals war ich 24", erinnert sich Rubach. Fünf Jahre später schaffte er seine Facharzt-Qualifizierung, ein halbes Jahr darauf wurde er Oberarzt - und blieb es 30 Jahre lang, bis er am Ende den Chefarztposten übernahm. Die meiste Zeit arbeitete Rubach mit Dr. Johannes Bernd, dem späteren Chefarzt, zusammen. "In einer guten Truppe versuchten wir, Ordentliches zu leisten", so Rubach. Bei aller Bescheidenheit: Das ist gelungen. Die Frauenklinik hatte in den Jahren, in denen das Krankenhaus manche Krise zu überstehen hatte, weit über die Grenzen des Landkreises hinaus einen guten Ruf. Patientinnen empfahlen die Klinik weiter.
"Inzwischen habe ich oft Patientinnen in dritter Generation", sagt Rubach. Nach seinen Berechnungen hat er sich in diesen 39 Jahren um über 32 000 Neugeborene gekümmert - während der Entbindungen und um andere Ärzte zu unterstützen. Diese Zahl entspricht in etwa der heutigen Bevölkerungszahl Köthens. An die 8 000 große gynäkologische Operationen kommen seit damals zusammen, die er selbst vornahm oder daran beteiligt war. Kaiserschnitt, zunehmend aber auch Brustkrebsbehandlung gehören dazu.
"Zu DDR-Zeiten wurden Frauen mit Brustkrebs ausschließlich von Chirurgen operiert", so Chefarzt Rubach. "In Westdeutschland war es anders." So musste sich der gestandene Gynäkologe nach der Vereinigung erst einmal auf diesem Gebiet weiterqualifizieren. "Aber sonst war die Frauenmedizin in der DDR gut", meint der Chefarzt. "Heute steht im Kreißsaal natürlich ganz andere Technik." Bis zuletzt war Rubach voll im Einsatz. "Wir operieren hier jeden Tag", sagte er. Auch über Weihnachten hatte der Mediziner Dienst. "Günstig ist, dass ich 300 Meter entfernt vom Krankenhaus wohne", erklärt er. "Wenn irgendetwas ist, bin ich in fünf Minuten am Arbeitsplatz."
Am Mittwoch findet im Krankenhaus eine offizielle Verabschiedung statt. Viele warme Worte können die Mitarbeiter über den Chefarzt sagen. "Er ist ein guter Arzt und hat Vertrauen bei den Patienten", erklärt zum Beispiel Schwester Uta Panhans, die seit 1982 in der Frauenklinik arbeitet. Nicht nur die Fachkenntnisse, sondern Rubachs Kollegialität schätzt Harald Förster. "Er steht hinter den Kollegen und setzt sich für sie ein", so der junge Arzt.
Seinen Abgang hat Rubach langfristig vorbereitet. "Heute weiß ich: Der Betrieb an der Frauenklinik geht ohne Abstriche weiter", hebt der Chefarzt hervor. Nachwuchs sei da. Oberärztin Heidemarie Thiele übernimmt demnächst kommissarisch den Chefarztposten an der Klinik.
"Und nun wollen Sie sicherlich fragen, was ich mit meiner vielen Freizeit anfange", nimmt Dr. Ralph Rubach schmunzelnd die Journalistengewohnheiten auf die Schippe. "Ich werde organisatorisch meiner Frau helfen, die mit unserem Sohn eine Praxis betreibt." Der Sohn Matthias kam übrigens 1969 im Köthener Krankenhaus zur Welt. Und außerdem will Rubach nach eigenen Worten das nachholen, was bisher wegen der Arbeit zu kurz kam. Zum Beispiel Theaterbesuche.