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Müllentsorgung Anhalt-Bitterfeld Müllentsorgung Anhalt-Bitterfeld: Keine gewichtsmäßige Erfassung der Müll-Menge

Von Matthias Bartl 29.10.2014, 12:04
Anfang 2016 kommt der Chip bei der Restmüllentsorgung. Die verbrauchsabhängige Abrechnung steht aber noch längst nicht zur Debatte.
Anfang 2016 kommt der Chip bei der Restmüllentsorgung. Die verbrauchsabhängige Abrechnung steht aber noch längst nicht zur Debatte. Bartl Lizenz

Köthen - Wenn ab dem Januar 2016 der Restmüll in Köthen oder Radegast oder Bitterfeld abgeholt wird, dann wird die Abholung der Tonne dies nicht mehr über eine Banderole registriert, sondern mit Hilfe eines Chips. Was allerdings nicht passiert ist die gewichtsmäßige Erfassung der abgeholten Müll-Menge. „Das tun wir nicht“, erläutert Hartmut Eckelmann, Geschäftsführer der Anhalt-Bitterfelder Kreiswerke (ABIKW). Der Chip diene ausschließlich dazu, die Anzahl der abgeholten Tonnen zu erfassen.

Warum die ABIKW nicht den Weg beschritten hat, bei der technischen Umstellung der Restmüllerfassung gleich den großen Sprung zu tun und mit zu ermitteln, wie viele Kilo Restmüll denn jeder ans System angeschlossene Haushalt produziert, das hat nach Eckel- mann verschiedene Gründe. „Zum einen wäre die Umrüstung der Fahrzeuge auf diesen technischen Standard deutlich teurer ausgefallen als die Umstellung auf den Chip schon ist“, so der Geschäftsführer. Gravierender dürfte jedoch Grund Nr.2 sein: Damit würde man einer Abrechnung der Müllentsorgung, die sich auf den reinen Verbrauch gründet, Tür und Tor öffnen. Und solche Form der Abrechnung ist nach Eckel- mann „nicht zu empfehlen“.

Ein wesentlicher Punkt, warum ABIKW-Chef Eckelmann eine verbrauchsabhängige Restmüll-Abrechnung zur Zeit ablehnt, liegt in den Verträgen mit den Müllverbrennern in Leuna und Magdeburg begründet. Gegenüber den Anlagenbetreibern, mit denen die ABIKW Verträge hat, die noch auf Zeiten der Altkreise zurück gehen und nach denen der Entsorger eine Pflichtmenge an Restmüll zur Strom- und Wärmeproduktion durch thermische Behandlung liefern muss, will er nicht vertragsbrüchig werden. Die Verträge laufen 2018 bzw. 2020 aus. „Das wäre ein Zeitpunkt, um über eine verbrauchsabhängige Abrechnung nachzudenken“, so Eckelmann.

Ebenso wichtig dafür sei, wie es sich mit der Gewinnung von wichtigen Rohstoffen aus dem Restmüll verhält. Bis jetzt sei das „Raussortieren“ noch unökonomisch, „aber das wird sich irgendwann ändern - müssen“.

Anhalt-Bitterfeld wäre freilich nicht der erste Landkreis, der ein solches verbrauchsbezogenes Entsorgungssystem installiert. Allerdings, so Eckelmann, der sich bei seinen Branchenkollegen informiert hat, würde „alle, die damit angefangen haben, sich heute dafür am liebsten ohrfeigen“. Im ersten Jahr sei die Abrechnung noch realistisch ausgefallen, „und im zweiten Jahr sind alle schweren Sachen aus dem Restmüll verschwunden“, sagt Eckelmann.

Wer ein solches System installiere, müsse immer damit rechnen, dass es einen gar nicht mal so kleinen Prozentsatz an Einwohnern gebe, der dann beginne, auf Kosten der Allgemeinheit zu sparen. Im Landkreis Potsdam-Mittelmark habe es etwa einen Fall gegeben, wo eine vierköpfige Familie im Laufe des Jahres nicht eine Restmülltonne habe abholen lassen. Das einzige, was den Leuten drohe, sei „ein böser Brief von deren Landrat“, sagt Eckelmann, „und das war es dann“. Dies seien die Folgen einer verbrauchsabhängigen Abrechnung: „Die Mengen gehen dramatisch zurück, geschätzt auf die Hälfte des Kreisdurchschnitts - und der Müll, der ja trotzdem da ist, landet nur woanders.“

"Gefühlt mehr Müll in der Landschaft"

Nicht einmal unbedingt in der Landschaft, wiewohl nach Eckel-manns Worten das Umweltamt des Landkreises meint, dass es „gefühlt mehr Müll in der Landschaft gebe“. Aber der Müll lande auch an anderen Stellen: beim Nachbarn, in öffentlichen Abfallbehältern, mancher nehme seinen Müll tütchenweise auf Arbeit mit.

Der ABIKW-Chef ist weit davon entfernt, alle über einen Kamm zu scheren: „80 oder 85 oder 90 Prozent der Bürger halten sich an die Spielregeln, bezahlen, was sie an Müll produzieren. Es sind aber die Schwarzen Schafe, die es sehr schwierig machen, ein verbrauchsabhängiges System umzusetzen. Und ich will es den 80 oder 90 Prozent eigentlich nicht zumuten, für die zehn, 20 Prozent mitzubezahlen - das wäre erst recht unfair.“

In seiner Skepsis bestärkt wird Eckelmann auch durch eigene Erfahrungen. Vor Jahren habe man in Bitterfeld einen Versuch gefahren, bei dem jeder Beteiligte 60 Liter Restmüll pro Monat über eine Karte kostenlos abgeben konnte. Das Resultat sei frappierend gewesen, erinnert sich Eckelmann: „Jeder der Beteiligten hatte vorher im Schnitt zwischen 120 und 180 Liter Restmüll pro Monat produziert. Als die 60-Liter -Karte eingeführt wurde, waren es genau nur noch diese 60 Liter. Die Teilnehmer haben also faktisch aus dem Stand angeblich 30 bis 50 Prozent weniger Müll verursacht. “

Prinzipiell freilich ist Eckelmann nicht dagegen, verbrauchsabhängig abzurechnen. „Die politisch Verantwortlichen müssen nur vorher die Folgen von ihrer Wahrscheinlichkeit her abschätzen können.“ Allerdings sei man mit der bisherigen Kombination aus sanftem Druck und solidarischem Prinzip gut gefahren. „Und ein System, das sich bewährt hat, gibt man nur auf, wenn man etwas Besseres findet.“ (mz)