Letztes Mal «grünes Licht» für Personenzug nach Aken
Köthen/Aken/MZ. - Lokführer Karsten Bader betritt das Führerhaus. Doch es herrscht Abschiedsstimmung. Auf den 45-Jährigen kommt an diesem Abend eine traurige Aufgabe zu. Er wird den letzten Zug auf der Strecke Köthen-Aken fahren. Die Türen schließen sich, ein letztes Hupen und der Zug verschwindet in der Dunkelheit.
Nach fast 118 Jahren fuhr am Samstag der letzte reguläre Personenzug auf der Strecke Köthen-Aken. "Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit", hieß es auf einem Aushang am Fahrplan. Extra für diesen Tag wurde noch einmal ein Wagen vom Typ VT 628 bestellt. "Dieser verkehrte schon vor Jahren auf der Strecke und wurde später durch einen moderneren Typ abgelöst", informierte Andreas Lamprecht, Teamleiter der Einsatzstelle Köthen. In Zukunft müssen Reisende von und nach Aken auf den Bus zurückgreifen. Dieser verkehrt montags bis freitags alle zwei Stunden, in der Hauptverkehrszeit nahezu stündlich. Am Wochenende fahren Anrufbusse.
Vor allem die Akener können sich mit dieser Vorstellung noch nicht so recht anfreunden. "Der Zug gehört einfach dazu", fand Gertrud Müller. "Und es gibt genug Leute, die auf ihn angewiesen sind." So auch die 30-jährige Mandy Schoch. Um Behördengänge und größere Einkäufe in Köthen zu erledigen, nutzte die Akenerin regelmäßig den Zug. "Das war immer sehr bequem, und man konnte das Fahrrad problemlos mitnehmen." Besonders für Schüler aus Aken war die Bahnverbindung eine geeignete Möglichkeit, um schnell nach Köthen zu fahren. Friedrich Löwe, Schüler des Ludwigsgymnasiums, nutzte diese Gelegenheit viele Jahre. "Mit dem Zug war ich eine viertel Stunde unterwegs. Mit dem Bus sind es mindestens 30 Minuten", erzählte der 15-Jährige. "Das war ein Zeitersparnis für ihn", ergänzte seine Mutter Ines Löwe.
Viele Interessierte ließen es sich am Samstag nicht nehmen, mit einem der letzten Personenzüge auf der Strecke Köthen-Aken mitzufahren. Darunter auch Hans Lange aus Dessau. Für ihn war die Zugfahrt nach Aken nicht nur das letzte, sondern zugleich das erste Mal. "Bevor die stillgelegt wird, wollte ich wenigstens noch einmal mitfahren", so Lange. Die Stilllegung der Strecke für den Personenverkehr sorgte nicht nur bei ihm für Unverständnis. "Schade, dass man hier keine Lösung gefunden hat", bedauerte auch der Dessauer Andreas Hins.
Allerhand wurde in der Vergangenheit versucht, um die Strecke für den Personenverkehr zu erhalten. Vor allem der Verein "Eisenbahnfreunde Aken e.V." machte sich stark. Mit Unterschriftensammlungen, Anfragen bei der Tourismusförderung und beim Stadtrat kämpften sie für deren Erhalt. "Das hat alles nichts gebracht. Die Strecke wurde zu wenig genutzt", informierte Holger Fuchs, Vorsitzender der Eisenbahnfreunde Aken. Statt der nötigen 500 waren täglich nur 300 Reisende mit dem Zug zwischen Köthen und Aken unterwegs.
Um noch einmal zünftig Abschied zu nehmen, hatten die Mitglieder des Vereins für diesen Tag ein unterhaltsames Programm organisiert. Am Nachmittag spielten Musiker des Köthener Stadtblasorchesters am Akener Bahnhof, die AWO-Kids führten weihnachtliche Tänze auf. Für die Kinder war der Weihnachtsmann angereist und verteilte kleine Geschenke. Interessierte konnten sich die ersten Exponate des künftigen Museums im Bahnhofsgebäude ansehen. Beim Anblick historischer Gleispläne, Laternen und Fahrtregelungssignalen schlug das Herz des Eisenbahnfans höher. Im nachgebauten Büro eines Fahrdienstleiters wurden neben einer Uniform aus der Zeit der Reichsbahn auch Mützen verschiedener Dienstzweige ausgestellt.
Eisenbahnfreund Detlef Koch hatte sich um die Gestaltung des Museums gekümmert und gab an diesem Tag Führungen durch die einzelnen Räume. Beim Gedanken an die Stilllegung der Strecke war auch er wehmütig. "So geht langsam ein Stück Geschichte verloren", befürchtete Koch. Vor allem den ehemaligen Lokführern, die selbst jahrelang auf der Strecke unterwegs waren, fiel dieser Tag sichtlich schwer. "Das ist schon ein komisches Gefühl", erzählte Wolfgang Lehmann. Von 1963 bis 1995 war er Diesellok-, E-Lok- und Dampflokführer. Die Strecke Köthen-Aken kannte der 69-Jährige wie seine Westentasche.
Um 21.50 Uhr fuhr am Samstagabend also der letzte Personenzug der Strecke am Köthener Bahnhof los. Der symbolische schwarze Sarg für das Begräbnis dieser fast 118-jährigen Tradition stand in Aken für die Ankunft bereit.