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Leid durch zu große Population Leid durch zu große Population: Zahl der freilebenden Katzen in Köthen wird zum Problem

Von Matthias Bartl 25.07.2019, 05:00
Evelyn Schwerdtfeger mit Leo, einem geborgenen Katzenbaby
Evelyn Schwerdtfeger mit Leo, einem geborgenen Katzenbaby Bartl

Köthen - Eigentlich muss sich Evelyn Schwerdtfeger wie Sisyphos vorkommen. Nur dass die griechische Sagenfigur vergeblich versuchte, einen Stein den Berg hinaufzurollen (der kurz vor dem Gipfel wieder herunterrollte) - und Evelyn Schwerdtfeger sich seit Jahren bemüht, die Zahl der freilebenden Katzen im Gebiet von Köthen einzudämmen. Ebenso erfolglos wie der König von Korinth.

Der freilich nur die Götter gegen sich hatte, während Evelyn Schwerdtfeger viel schlimmer dran ist: Sie kommt bei der Stadtverwaltung Köthen einfach nicht weiter. Dabei wäre aus der Sicht der Tierschützerin das Weiterkommen eben doch ganz einfach. „Man muss dafür sorgen, dass die Katzen kastriert werden“, sagt sie.

Wofür die Stadt den finanziellen Rahmen liefern müsste. „Die Köthener Tierhilfe würde sich um das Einfangen kümmern und um das Kastrieren“, so Evelyn Schwerdtfeger, seit vielen Jahren Vorsitzende des Vereins. Zum Einfangen müsste man eine Futterstelle einrichten, an die sich die wild lebenden Hauskatzen recht schnell gewöhnen - und in der sie dann gefangen werden. Dazu hat die Tierhilfe sogar eine Falle entwickelt, die per Fernbedienung ausgelöst werden kann „und die wir uns patentieren lassen wollen“.

„Ohne den Menschen wäre diese Katzenpopulation nicht entstanden“

Das akut notwendige Einsatzgebiet für die Falle kennt Evelyn Schwerdtfeger seit langem: der Bereich an der Wittigschen Villa in Köthen. Dort lebten derzeit fünf oder sechs Katzen mit ihren Kindern, Tendenz steigend. Die Stadt wisse Bescheid, unternehme aber nichts. Bescheid wisse auch die Familie Koch, auf deren in der Nähe befindlichen Grundstück schon etliche verletzte Katzen aufgenommen wurden, die der Pflege bedurften.

Denn darum geht es Evelyn Schwerdtfeger in erster Linie: zu verhindern, dass Tiere hungern, erkranken, sich quälen. „Wir haben dafür die Verantwortung, denn ohne den Menschen wäre diese Katzenpopulation nicht entstanden.“ So dass auch die Eindämmung der Katzen-Flut durch den Menschen gewährleistet werden muss. Die Kastration sei dafür ein geeignetes Mittel, weiß die Tierschützerin: Bei konsequenter Anwendung würde man den Vermehrungspool „im Laufe von fünf bis sechs Jahren austrocknen.

Das Problem löst sich auf“. Die Kastration der Katzen, die von der Tierhilfe aufgenommen werden, übernimmt üblicherweise Tierärztin Anett Mayer in Osternienburg. „Zu ihr haben wir Vertrauen, weil wir wissen, dass sie die Sache ernst nimmt“, sagt Evelyn Schwerdtfeger. „Da darf hinterher keine Naht aufplatzen.“

70 Kastrationen hat die Tierärztin Anett Mayer 2018 im Auftrag der Tierhilfe durchgeführt

Rund 70 Kastrationen hat die Tierärztin im zurückliegenden Jahr im Auftrag der Tierhilfe durchgeführt - was deswegen möglich war, weil es im Osternienburger Land eben im Unterschied zu Köthen finanzielle Unterstützung seitens der Gemeinde für Katzen-Kastrationen gibt. „Das wünschen wir uns auch für die Kreisstadt“, sagt Evelyn Schwerdtfeger, „im Haushalt 2020 sollte das eine Rolle spielen.“

Zumal rechtliche Besorgnisse, das Einfangen und Kastrieren von Katzen könnte im Widerspruch zu geltenden Gesetzen stehen, laut Evelyn Schwerdtfeger nicht mehr existieren. Zwar habe der Landtag keine direkte Kastrationspflicht frei lebender Katzen per Landesgesetz beschlossen, „aber man hat im Mai den Weg dafür geebnet, dass das Kastrieren von Katzen in das jeweilige Ortsrecht aufgenommen werden kann“.

Im sperrigen Behördendeutsch heißt das: „Übertragung der Ermächtigung zur Festlegung von bestimmten Gebieten zum Schutz freilebender Katzen.“ Gemeint ist damit, zu hohe Katzenpopulationen mit geeigneten tierschutzgerechten Maßnahmen zu vermindern und zu begrenzen - also Kastration.

Gefahrenabwehrverordnung  der Stadt Köthen braucht laut Evelyn Schwerdtfeger Änderung

In Köthen könnte dies in der Gefahrenabwehrverordnung der Stadt festgeschrieben werden, die aus Sicht von Schwerdtfeger ohnehin überarbeitungswürdig ist. Nicht zuletzt deshalb, weil sie zwar das Füttern von Haustieren wie Katzen verbietet, das Füttern von echten Wildtieren wie Enten allerdings erlaubt. „Diese Widersinnigkeit muss mir mal jemand logisch erklären“, sagt Evelyn Schwerdtfeger.

Die nicht nur an der Behördenfront für die tierschutzgerechte Behandlung von frei lebenden Katzen kämpft, sondern viele Tiere direkt und indirekt in Betreuung hat - nicht zuletzt um sie gegebenenfalls in gute Hände zu vermitteln. Das schließt ein, dass in ihrem eigenen Wohnhaus in Köthen die Zahl der Katzen immer deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt. Viele davon sind körperlich versehrt, sind blind, haben Schäden am Gehirn. Oder es sind Katzenkinder, die von der Tierhilfe aus dem Elend des ungeschützten Lebens im Freien gerettet wurden.

Denn das ist das Hauptanliegen der Tierhilfe: den Tieren Leid zu ersparen. Den Begriff Gefahrenabwehrverordnung, so die Vereinschefin, dürfe man nicht - wie die Stadt es tut - einseitig auf die Abwendung von Gefahren für den Menschen ansehen, „sondern es geht auch um die Abwendung von Gefahren für Tiere“.

Die Kastration der Katzen ist auch eine finanzielle Frage für die Stadt

Für die Stadt ist die Frage eine finanzielle. Die Mittel für die Kastration müssten aus der Haushaltsstelle Gefahrenabwehr genommen werden - aber mit dem Geld sind viele Aufgaben abzusichern: Vom Autoabschleppen bis zur Bestattung von Verstorbenen ohne Angehörige.

Man habe früher auch nicht ausgegebenes Geld aus dieser Haushaltsstelle für Kastrationen bereitgestellt, und zwar dem Tierheim, da dieses bei der Aufnahme von Fundtieren Vertragspartner der Stadt sei, so Stadtsprecherin Caroline Hebestreit. „Ob und in welcher Höhe in diesem Jahr mit einer finanziellen Unterstützung der Stadt gerechnet werden kann, wird im Oktober oder November dieses Jahres absehbar sein.“

Dann werde auch geprüft, ob auch die Tierhilfe zum Zweck der Kastration von Katzen finanziell unterstützt werden kann. Prinzipiell jedoch beschränkt sich die Aufgabe der Stadt auf die Aufnahme von Fundtieren bzw. auf solche Tiere, von denen eine Gefahr ausgeht. Jede weitere Unterstützung ist freiwillig. (mz)

In einem Haus in Pfaffendorf entsteht derzeit durch die Tierhilfe eine Möglichkeit zur Unterbringung von Katzen, z. B. nach einer Kastration.
In einem Haus in Pfaffendorf entsteht derzeit durch die Tierhilfe eine Möglichkeit zur Unterbringung von Katzen, z. B. nach einer Kastration.
Ute Nicklich