Köthen Köthen: Weihnachtsmann auf Sonderschicht
KÖTHEN/MZ. - Weihnachten ist abgehakt, Weihnachtsmann Rolf Ulrich hätte also seinen Jahresurlaub antreten können. Am Silvesterabend legte der bärtige Geselle aus der Baasdorfer Straße jedoch eine Sonderschicht ein, stand mit Wunderkerzen, Geschenken und einer hell klingenden Glocke vor einer Wohnung in der Lohmannstraße. "Die Familie hat mich gebeten, vor allem, um ihren Kindern eine Freude zu machen. Da habe ich nicht Nein gesagt", äußerte Ulrich. Gefeiert wurde aber nicht Weihnachten, sondern das Jolkafest bei der Spätaussiedlerfamilie Wagner.
Swetlana und Wladimir Wagner hatten alles schon vorbereitet, als Weihnachtsmann Rolf an der Tür klingelte. Am größten war die Aufregung natürlich bei den Kindern Nicolle (7) und David (4). Ängstlich waren sie aber nicht und nahmen freudig die kleinen Geschenke in Besitz, die ihnen der Weihnachtsmann mitbrachte. Danach bedankten sich beide mit einem langen Gedicht.
Die Wagners stammen aus Kirgisien. "Wir sind deutschstämmig. Unsere Oma war die erste aus unserer Familie, die 1995 zurück nach Deutschland kam und jetzt in Chemnitz lebt", erzählte Wladimir Wagner. Er entschloss sich im Jahr 2000, aus Kirgisien wegzugehen. "Dort haben die Muslime das Sagen, es gab immer wieder religiöse Konflikte. Und die Lebensverhältnisse dort waren sehr schwer", begründete der 34-Jährige, warum er umgesiedelt ist. Zwei Jahre später kam Ehefrau Swetlana (35) nach. Die junge Familie richtete sich ein, wohnte zuerst in der Mühlenstraße und zog dann in die Lohmannstraße um. Swetlana Wagner brachte ihre Kinder in Köthen zur Welt. Nicolle besucht die Klasse 2a der Ratke-Schule, ihr kleiner Bruder David geht in den katholischen Kindergarten.
Der Neubeginn in Deutschland war nicht leicht, wie Wladimir Wagner einräumte. Es sei schwer gewesen, Arbeit zu bekommen. Jetzt hat er aber einen guten Job, baut Solaranlagen auf. "Ich bin europaweit auf Montage", sagte Wagner. Seine Frau, von Beruf Sekretärin, hat noch keine Arbeit gefunden. Sie kümmert sich um die Kinder, ist aber auch oft in der Migratonsberatungsstelle anzutreffen, wo sie sich nützlich macht. Mit anderen in Köthen lebenden Spätaussiedlerfamilien sind sie befreundet, mit Alteingesessenen weniger. "Da fehlt der Kontakt. Man ist für sich", bemerkte Wladimir Wagner.
Die deutsche Weihnachtstradition wird inzwischen auch bei Wagners gepflegt. "Die großen Geschenke haben unsere Kinder am Heiligabend schon bekommen", berichtete Swetlana Wagner. Auf die russische Tradition des Jolkafestes wollen sie aber nicht verzichten. So wurden die Kinder noch einmal beschenkt, aber nur mit Kleinigkeiten. Dann versammelte sich die Familie am festlich gedeckten Tisch. Wie in Russland üblich, gab es als Hauptspeise einen Salat Olivier. Der besteht aus Kartoffeln, Geflügelfleisch, Möhren, Salzgurken, Erbsen, Eiern, Zwiebeln und Mayonnaise. Swetlana Wagner musste den Salat dieses Mal nicht allein anrichten. Ihre Schwester Tatjana, die mit Ehemann André und dem eineinhalbjährigen Söhnchen Timofej aus Moskau zum Fest nach Köthen angereist war, half ihr dabei. Sekt und Mandarinen gehörten ebenso zum Jolkafest wie ein kräftiger Wodka. "Gesundheit, das wünschen wir uns für das neue Jahr und das wünschen wir auch allen anderen Menschen", formulierte Swetlana Wagner ihren größten Wunsch für das Jahr 2012.