Köthen Köthen: Radikale Poster im Obdachlosenheim?
Köthen/MZ. - Ist das alles nur gestellt, oder gibt es die Familie Ritter aus Köthen wirklich? Die Meinungen dazu gehen in den Internet-Chats auseinander.
Für die Köthener Polizei hingegen ist die Familie sehr real. "Im Zeitraum von August 2011 bis September 2012 sind polizeilich etwa 70 Einsätze erfasst. Es handelt sich dabei um Haus- und Familienstreitigkeiten, Ruhestörungen, Sachbeschädigungen, Körperverletzungen, Beleidigungen u. a", heißt es dazu auf eine Anfrage der MZ im Zusammenhang mit der jüngsten RTL-Fernsehberichterstattung.
Seit 18 Jahren berichtet die Fernsehsendung Stern TV regelmäßig über die Großfamilie, die seit über 20 Jahren in der Köthener Obdachlosenunterkunft in der Angerstraße 51 / 52 wohnt.
Im Studio sprach RTL-Moderator Steffen Hallaschka am 17. Oktober - nach der Ausstrahlung der neuesten Interviews mit der Familie und einer Rückblende - live mit dem Anhalt-Bitterfelder Jugendamtsleiter Peter Grimm. Der nahm in der Sendung unter anderem zu verschiedenen Anschuldigungen von Familienoberhaupt Karin Ritter Stellung. Grimm war bereits mehrfach Gast in der Sendung und schilderte dort die Versuche der Hilfestellungen durch sein Amt, die zum größten Teil gescheitert sind, wie er zugeben musste.
Das Jugendamt hat die acht Kinder von Karina Ritter (35) vor drei Jahren endgültig in Obhut genommen. Auf Vorfälle, die mit deren Unterbringung in einem Kinderheim zu tun haben sollen, bezog sich die Großmutter der Kinder, Karin Ritter, in der aktuellen Sendung. Grimm, den sogar eine Armverletzung nicht davon abhielt, bei Stern TV aufzutreten, dementierte die Vorwürfe laut Sender als schlichtweg an den Haaren herbeigezogen.
Inzwischen lebt schon die dritte Generation der Familie Ritter am Rande der Gesellschaft. Derzeit sind laut Ordnungsamt 17 Familienmitglieder in der Angerstraße untergebracht. Alle leben von Hartz IV bzw. Grundsicherung.
Übermäßiger Alkoholkonsum, Gewaltbereitschaft bis hin zu kriminellen Karrieren sowie die rechtsradikale Gesinnung der Familienmitglieder wurden auch in der letzten TV-Ausstrahlung im Oktober wieder thematisiert. So schwenkte die Kamera des RTL-Teams, das seit 18 Jahren an der "Ritter-Familien-Studie" dreht, unter anderem auch in das Zimmer von Norman Ritter (28) und zeigte dem Fernsehzuschauer unter anderem Poster mit rechtsradikalem Inhalt, die an den Wänden hingen.
Die MZ nahm dies zum Anlass, um bei der Köthener Stadtverwaltung, die das Heim in der Angerstraße betreibt, und beim Polizeirevier Ost einmal nachzufragen, welche Handhabe beide haben, um gegen die Verwendung möglicherweise verfassungsfeindlicher Symbole in einer Obdachlosenunterkunft vorzugehen.
Aus der Pressestelle der Stadt Köthen heißt es dazu: Zu einer Notunterkunft wie in der Angerstraße 51 / 52 habe das Ordnungsamt der Stadt kein allgemeines Betretungsrecht. Ein Zutrittsrecht bestehe wiederum zum Zwecke der Feststellung des Zustandes der Unterkunft oder der Überwachung der Pflichten des Benutzers.
"Sollten Obdachlose in den ihnen zugewiesenen Räumlichkeiten Kennzeichnen verfassungswidriger Organisationen besitzen (z.B. Hakenkreuzfahne, Reichskriegsfahne, bestimmte Runen u.ä.), ist dies in jedem Fall zu verurteilen", schreibt die Stadt und verweist diesbezüglich an Polizei und Staatsanwaltschaft.
Dazu Polizei-Sprecherin Nicole Kahn: "Grundsätzlich ist die Polizei als Strafverfolgungsbehörde verpflichtet, wenn sie Kenntnis von Straftaten erhält, tätig zu werden. Aufgrund der in der Vergangenheit bereits ausgestrahlten Beiträge und des aktuellen Beitrags vom 17. Oktober 2012 über die Familie Ritter im Fernsehen wurden durch die Polizei mehrere Strafverfahren, u. a. wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, eingeleitet."