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Köthen Köthen: Nach Quellendorf statt nach Paris

Von Claus Blumstengel 15.01.2012, 16:43

Köthen/MZ. - "Mit einem Taxi nach Paris" wollte Michy Reincke von der Hamburger Band "Felix de Luxe" 1984 fahren. "Nur mal so für eine Nacht". Seit sein Vater das Unternehmen 1990 in Köthen gründete, habe hier allerdings noch kein Kunde einen solch ausgefallenen Wunsch geäußert, sagt Frank Eichler vom gleichnamigen Taxi-Betrieb. Und das werde wohl auch so schnell nicht vorkommen. Die Taxis seien meist zu den umliegenden Dörfern unterwegs oder auch mal nach Dessau.

An eine weitere Fahrt erinnert sich Frank Eichler aber noch gut: Da kam ein Mann in Schlappen aus dem Bahnhof auf sein Taxi zu und wollte nach Magdeburg gefahren werden. Er komme ja eigentlich gerade von dort, erzählte der Fahrgast kleinlaut. Auf dem Magdeburger Hauptbahnhof habe er sich im Zug nur von seiner Frau verabschieden wollen. Die Bahn sei dann aber plötzlich losgefahren, so dass er nicht mehr aussteigen konnte …

Doch solch ein Missgeschick passiert nicht alle Tage. Und nachdem Yvetta Kellermann beim Schichtwechsel Schreibtisch, Telefone, Einsatzbücher, Taschenrechner, Schreibutensilien und die gut gefüllte Kaffeekanne an ihre Kollegin Ute Falke übergeben hat, bewegen sich die telefonisch geäußerten Transportwünsche in dieser Stunde in der Taxi-Zentrale gegenüber dem Bahnhof auch nur im Umkreis von 20 Kilometern: Der erste Anrufer aus Kleinpaschleben möchte zum Bahnhof nach Köthen gebracht werden, der nächste steht am Schuhgeschäft in der Wallstraße und möchte - wahrscheinlich nach einem Einkaufsbummel - ins heimische Quellendorf.

"Taxi-Eichler, guten Tag", spricht Ute Falke wieder und wieder ins Telefon, notiert Name, Abfahrtsort und Ziel im Einsatzbuch und ruft den Fahrer an, der nach ihren Aufzeichnungen gerade frei sein müsste. Ein Kunde möchte nur in die Brunnenstraße, ein anderer bestellt ein Taxi in die Bergstraße. "Es gibt keine Strecke, ob kurz oder weit, die wir ablehnen", informiert Frank Eichler. Zum einen sei eine kurze Fahrt immer noch besser, als wenn der Fahrer zwei Stunden lang untätig am Bahnhof steht, zum anderen würde laut Konzession ja eine Grundgebühr von drei Euro erhoben.

Wieder und wieder klingelt das Telefon. "Die Zeiten, dass hier häufig gar nichts los war, haben wir Gott sei dank nicht mehr", denkt Frank Eichler an die schwierige Situation zurück, als er sich 1996 von einer Taxi-Genossenschaft getrennt hatte. Sieben Konzessionen hat er, die vom Landkreis vergeben werden, sechs Fahrer und zwei Fahrerinnen sind bei Taxi-Eichler fest angestellt. Drei Mitarbeiterinnen sind in der Taxi-Zentrale beschäftigt. Nur nachts, wenn nicht so viel los ist, gehen die Anrufe direkt beim jeweiligen Taxifahrer ein.

Inzwischen gehören auch Krankenfahrten, Schülerfahrten und Transfers für Reiseunternehmen zu den Angeboten des Unternehmens. Das ist notwendig; denn die Konkurrenz ist mit acht Unternehmen in Köthen groß. Hinzu kommen die immens gestiegenen Dieselpreise und einige konkurrierende Mietwagen, informiert Frank Eichler. Für die gelte kein fester Kilometerpreis. Während das Taxameter im Taxi gefahrene Kilometer und den vom Landkreis festgelegten Preis anzeigt, haben Mietwagen nur einen Wegstreckenzähler. Der Preis werde mit den Kunden ausgehandelt. Allerdings dürfen sich Mietwagen nicht irgendwo bereitstellen, etwa am Bahnhof wie die Taxen.

Ein Rückschlag sei es gewesen, als der Betreiber 2009 in Köthen den Bündelfunk abschaltete. Eichler hatte alle Fahrzeuge mit den nicht gerade billigen Funkgeräten ausgestattet. So erfuhren alle Fahrer per Gruppenruf von Taxi-Bestellungen und wer frei war, konnte sich gleich bei der Zentrale melden. Nun müssen Ute Falke und ihre Kolleginnen mitunter mehrere Handys anrufen.

Einen gewissen Einbruch bei den Fahrten habe es gegeben, als das Musikzelt dicht machte, berichtet Frank Eichler. "Es gab viele clevere Jugendliche, die sich nach der Disko mit dem Taxi nach Hause fahren ließen", so Eichler. Allerdings waren nur wenige clever genug, für diese Fahrten das zur Hälfte vom Land gesponserte "Fifty-Fifty"-Angebot für die Taxifahrten zu nutzen. Es sei wohl einfach zu wenig bekannt gewesen, vermutet der Taxiunternehmer und bedauert: "Mit Tanz oder Disko ist hier in der Gegend ja fast gar nichts mehr los." Das Bernabeum in Bernburg mache das auch nicht wett.

Als hätte er das Gespräch belauscht, bestellt der nächste Anrufer bei Ute Falke ab 22 Uhr eine Fahrt für sechs Personen von Osternienburg ins Bernabeum. "Da schicke ich den Kleinbus", sagt sie dem Kunden und fragt nochmal nach dem Ort des Zustiegs: "Am Denkmal - wo ist denn das?" Der Anrufer hatte nicht bedacht, dass nur Einheimische das "Denkmal" kennen - den "Wilhelmstein" an der Eisdiele in der Walter-Rathenau-Straße. Die Frauen in der Taxizentrale müssen bei derartigen Angaben öfter nachfragen, wollen sie doch ihre Kollegen in den elfenbeinfarbenen Autos nicht in die Irre leiten. Aber das ist für die Frauen Routine. Ärgerlich wird es aber, wenn bei der Ankunft des Taxis überhaupt kein Fahrgast wartet. Manchmal sei das Schabernack, "es haben aber auch schon Leute mehrere Taxen angerufen und sind dann mit dem ersten gefahren, das vorbeikam", berichtet Ute Falke aus ihren Anfangsjahren bei Taxi-Eichler.

Planen könne er außer den Schülerfahrten überhaupt nicht, stellt Frank Eichler fest. Einzig in einem strengen Winter, wenn die Züge nicht oder verspätet fahren, könne er sich auf guten und vor allem länger anhaltenden Zuspruch verlassen. "Da kam es vor, dass die Leute wie früher nach einem Taxi anstanden", berichtet der Unternehmer. Die meiste Zeit des Jahres ist es freilich umgekehrt. Einen Irrglauben berichtigte Frank Eichler: Man könne sich am Taxistand durchaus ein Fahrzeug wählen und müsse nicht unbedingt das vorderste nehmen. "Aber der Fahrer, der am längsten gewartet hat, sollte auch den ersten Kunden bekommen", gibt er zu bedenken.