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Köthen Kultur und Marketing GmbH Köthen Kultur und Marketing GmbH: Unerwarteter Ansturm auf Schlossführungen

Von Matthias Bartl 29.12.2015, 10:15
Petra Pick führte die Besucher am Sonnabend im Schloss Köthen herum.
Petra Pick führte die Besucher am Sonnabend im Schloss Köthen herum. matthias bartl Lizenz

Köthen - Wer besucht in der Weihnachtszeit schon Museen? Wenn die Familie von Urgroßmutter bis Urenkel komplett um den Weihnachtsbaum versammelt ist? Wenn die Pausen zwischen den Tischzeiten höchsten für einen kleinen Verdauungsspaziergang ausreichen? Wenn im Fernsehen der kleine Lord von Aschenbrödel und Tatort-Kommissaren gejagt wird? Noch mal: Lohnt es sich dann überhaupt, ein Museum zu öffnen?

Eher nicht, sagte man sich in diesem Jahr bei der KKM und machte in der Weihnachtszeit alle Museen dicht. Allerdings nicht ohne eine gewisse Kompensation anzubieten: Sowohl am Sonnabend als auch am Sonntag lud die KKM zu Schlossführungen ein - ganz ungewiss, ob sich überhaupt jemand melden würde.

Interessenten standen Schlange

Der Erfolg hat Christian Ratzel und Petra Pick, die beiden Schlossführer, förmlich umgehauen. Waren am Samstag ungefähr 20 Besucher mit Petra Pick im Ludwigsbau unterwegs, riss die Schlange am Sonntag fast nicht mehr ab. „Wir hatten am Ende ungefähr 60 Interessenten“, so Ratzel gegenüber der MZ. Zu viel für einen einzelnen Schlossführer. Ratzel und Pick teilten daher die Besucher in zwei Gruppen und drehten zwei Runden quasi gegenläufig durch das etwa 400 Jahre alte Gemäuer.

Erstaunlich dabei: Einige Besucher kommen nicht etwa aus Köthen, sondern von viel weiter her. Ein Paar aus Gräfenhainichen ist „extra 40 Kilometer angereist“, um das Schloss zu besichtigen. Die Frau ist eine gebürtige Rohndorferin und war schon lange nicht mehr in der alten Heimat. Ein weiteres Paar, Monika und Harald Hengstler, stammt aus Magdeburg und ist dabei, nach und nach die kleineren Städte Sachsen-Anhalts zu besuchen. Köthen, lobt Monika Hengstler, müsse sich da auf keinen Fall verstecken. Nach dem Besuch im Schloss lassen sich Hengstlers noch den Weg in den Friedenspark zeigen - der war während der Schlossrunde erwähnt worden und hatte das Interesse der „Jung-Rentner“ geweckt.

Warum das Schloss einst niedergebrannt ist, lesen Sie auf Seite 2.

Bäckerbursche zündete Schloss an

Die Anwesenheit so vieler Gäste, denen Köthen und ganz und gar das Schloss ein „böhmisches Dorf“ sind, macht Petra Pick das Agieren leicht. Die Geschichten und Anekdoten, die der Köthener irgendwann doch schon einmal gehört hat, treffen hier auf die fruchtbarste Neugierde - angefangen mit der Geschichte vom Bäckerburschen, der das alte Schloss angezündet hatte; was überhaupt erst den Bau eines neuen Schlosses notwendig machte. Das mittlerweile allerdings dergestalt in die Jahre gekommen ist, dass das bröckelnde Mauerwerk demnächst - so hofft man jedenfalls - Sanierungs- und auch Rettungsarbeiten notwendig macht.

Was man sonst noch erfährt: Dass im Schlosshof einst ein Adler im Käfig saß und dort auch gefüttert wurde - was dem Schlosshof vermutlich nicht gerade edle Gerüche beschert haben dürfte. Dass es im Schloss keine Geheimgänge gibt - was zwei kleine Jungs plötzlich ganz enttäuscht dreinblicken lässt. Dass man in Köthen nur wenig originales Inventar besitzt, weil die Bestände an Mobiliar und Gemälde und anderem nach dem Aussterben der Köthenschen Linie in Dessauer Besitz übergingen oder zur Kostendeckung verscherbelt wurden. Dass Fürst Carl Georg Lebrecht, seines Zeichens kaiserlicher Feldmarschallleutnant, zwar anno 1789 bei Belgrad im Türkenkrieg ums Leben kam und dort auch beigesetzt wurde, dass man jedoch bei der Sanierung der Jakobskirche ein Gefäß mit einem Herzen fand, von dem man annimmt, es sei das Herz der Fürsten - so dass wenigstens ein Teil von ihm in der Heimat Ruhe fand.

Diese und andere Histörchen waren es, die das Publikum regelrecht aufsog. So dass Christian Ratzel am Sonntagnachmittag, als die zweite Schlossrunde Geschichte war, sich ziemlich überzeugt zeigte, dass dies der richtige Weg sei, um Neugierigen in der stillen Zeit Köthen und sein Schloss nahezubringen. Wiederholung 2016 ist schon geplant. (mz)

Im Grünen Salon ließen sich einige zur Lokalität passende Geschichten erzählen.
Im Grünen Salon ließen sich einige zur Lokalität passende Geschichten erzählen.
Matthias Bartl Lizenz