Erste Anlaufstelle Köthen hat in der Wallstraße ein Welcome-Center für Ukraine-Flüchtlinge eingerichtet
Vor allem Wohnungen werden jetzt gebraucht.

Köthen/MZ - Polyna Sheyko setzt sich erst einmal. Das Gespräch, so scheint es, könnte länger dauern. Doch sie hat Zeit. Und versteht, dass viele Menschen gerade Rat suchen. Ihr geht es genauso. Sie lebt seit 20 Jahren in Köthen. Dass in ihrer Heimat gerade Bomben fallen, Menschen sterben, Häuser zerstört werden, will sie nicht weiter kommentieren. Zu groß der Schmerz. „Krieg ist immer schlimm.“
Es ist kurz nach zwei im Welcome-Center in Köthen, das an diesem Dienstag erstmals geöffnet hat. Die Stadt will damit eine Anlaufstelle bieten, „für alle, die Hilfe suchen oder Hilfe anbieten wollen“, formuliert Bernd Hauschild, Köthens Oberbürgermeister. Und das sind schon in den ersten Minuten, nachdem Kristin Laurich ihren neuen Arbeitsplatz eingerichtet hat, etliche.
Bürger wollen etwas tun, um Geflüchtete zu unterstützen
Bevor die Menschen aus der Ukraine aus ihrem Land geflüchtet sind und viele von ihnen in Deutschland Unterschlupf suchen, arbeitete Kristin Laurich im Teilhabemanagement bei der Stadt. Sie hat sich bereit erklärt, im Welcome-Center zu helfen. „So kann ich meinen Beitrag leisten“, begründet sie.

In Igor Rudi hat sie gleich zu Beginn jemanden gefunden, der das hiesige Helfernetzwerk verstärken kann und will. „Darf ich sie als Übersetzer eintragen“, erkundigt sich Kristin Laurich und bekommt ein Ja. Der Betriebsingenieur steht zur Verfügung. Und es könnte sein, dass sie schon bald einen ersten Auftrag für ihn hat: ein wichtiges Gespräch bei einer Kinderärztin. Der Mann ist seit vielen Jahren in Köthen zu Hause, seine Kinder haben hier das Gymnasium besucht beziehungsweise machen gerade Abitur. Jetzt will er etwas tun, um Geflüchtete zu unterstützen. In Dessau sei ihm das schon gelungen. Dort habe er in den vergangenen Wochen mehrere Frauen und Kinder unterbringen können. Nun weiß er von zwei Frauen und Kindern, die aus Luzk nach Köthen kommen – und eine Wohnung brauchen.
„Die Ukrainer sind stolz. Sie wollen ihr Land verteidigen.“
Er weiß: „Die Ukrainer sind stolz. Sie wollen ihr Land verteidigen.“ Aber jetzt seien sie erst einmal auf Hilfe angewiesen. Igor Rudi ist hier, um sich nach einer Wohnung für die Ankömmlinge zu erkundigen. Einer Unterkunft in Köthen. Kristin Laurich will helfen. Doch auch ihr sind in gewisser Hinsicht die Hände gebunden. Auch sie gibt sämtliche Anfragen an den Landkreis weiter.
Dort müsse geklärt werden, wo die Ukrainer unterkommen, wann sie registriert werden, um hier ihr eigenes Leben aufbauen zu können, um selbstständig zu werden. Bernd Hauschild dauert dieses Prozedere einfach zu lange. Er hat deshalb den Chef seiner Wohnungsgesellschaft gebeten, mit den anderen im Kreis Kontakt aufzunehmen, um wenigstens auf dem Feld schneller Fortschritte zu erzielen. Es könne nicht sein, dass die Last vor allem von Privatleuten getragen werde, die Flüchtenden vorerst Unterschlupf bieten. „Wir müssen andere Strukturen schaffen“, wünscht er sich.
Mehrere Familien zu Hause aufgenommen – und das bereits vor Wochen
Melanie Böhm pflichtet ihm bei. Kollegen und Bekannte von ihr haben inzwischen mehrere Familien aufgenommen – und das bereits vor Wochen. Zwölf Menschen, Frauen und Kinder. Sie spricht bei Kristin Laurich vor, weil es bei verschiedenen Themen eine Lösung braucht. Bei der finanziellen Unterstützung, um Lebensmittel zu kaufen, beim Wohnen, auch Kindergarten und Schule stehen auf ihrem Zettel. Doch erst einmal müssten alle offiziell registriert werden.

Das könnte Wochen dauern, hat sie gehört. „Bis dahin hängen sie in der Luft. Und wir sind erst am Anfang.“ Sie will sich gar nicht vorstellen, was in drei, vier Wochen los sei. Umso wichtiger findet sie, dass Köthen eine Anlaufstelle geschaffen hat. Sie fühlt sich hier gut aufgehoben. Und hat die Hoffnung, dass in dieser Krise „die menschliche Seite wieder mehr in den Vordergrund rückt“ – trotz notwendiger Bürokratie.
Sie wird wiederkommen. Auch Polyna Sheyko, die für drei Frauen und zwei kleine Kinder eine Unterkunft benötigt. Kristin Laurich hat es notiert.
Das Welcome-Center in Köthen, Wallstraße 5, hat Montag, Mittwoch und Freitag von 9 bis 12 Uhr sowie Dienstag und Donnerstag von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Telefonisch ist die Anlaufstelle zu diesen Zeiten unter der Rufnummer 03496/425425 erreichbar. E-Mails können an [email protected] geschrieben werden.