1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Köthen: Köthen: Familie «Artur»

Köthen Köthen: Familie «Artur»

Von matthias bartl 19.04.2012, 17:07

köthen/MZ. - Die Urkunde hat sich Hans Trenka bis heute aufgehoben. Und dies, obwohl er eigentlich gar nicht im Sinn hatte, diese Urkunde zu erhalten. Denn das Dokument vom 1. November 1984 weist "Hänschen" Trenka als künftigen Leiter des Jugendklubhauses "Artur Becker" in Köthen aus. "Dabei", so Trenka, "wäre ich liebend gern Hausmeister geblieben."

Trenka und seine Frau Bärbel haben eine lange Zeit ihres Leben im "Artur" zugebracht. Nicht nur beruflich, auch privat. Die Hausmeisterdienstwohnung war im Jahr 1978 ein sehr stichhaltiges Argument für den Maschinenbauer, der als Klempner bei der Gebäudewirtschaft eigentlich einen prima Job hatte. Aber weil Bärbel schon im Klub arbeitete, um unter anderem die Gastronomie aufzubauen, und weil Trenka auch als "Macher " im DRK-Jugendklub Erfahrungen gesammelt hatte, wechselte er in den "Artur" über. Erst als "Mädchen für alles", später eben als "Mädchen für alles und noch viel mehr".

Wenn Bärbel und Hans Trenka sich heute über die Alben mit den Fotos aus längst verschollenen Zeiten beugen, wird ihnen schon ein bisschen das Herz schwer - schon deswegen, weil der "Artur Becker" in diesen Tagen abgerissen wird. Das hätte nicht sein müssen, finden beide unisono. Als der Jugendklub im Jahr 1996 das Haus endgültig räumte und dem neuen, alten Besitzer Platz machte, der Freimaurerloge "Royal York", "da war das Haus noch in einem Zustand, wo man es hätte erhalten können", ist Bärbel Trenka überzeugt.

Die neuen Eigentümer, diesen Eindruck habe man schnell gewonnen, "wussten nicht so richtig, was sie damit anfangen sollten". Vom geschützten Wohnen sei die Rede gwesen, von anderen Dingen auch. "Aber wie viel davon damals realistisch war..." Hans Trenka zuckt mit den Schultern. Er sei noch einmal gerufen worden, als ein Wasserrohrbruch zu beheben war, "da wurde bei der Gelegenheit gleich die Versorgung abgeklemmt, der Strom auch, da war das Herz weg".

Und einige Jahre später brach auch die Hülle zusammen. Trenka hat sich den Saal noch einmal angesehen, "da war Krones Prachtstück schon runtergekommen". Krones Prachtstück: Das war die Kassettendecke in einem der "Artur"-Säle, die der Köthener Architekt Krone entworfen hatte und die für eine einzigartige Akustik sorgte. "Da brauchte man kein Mikro, wenn man auf der Bühne reden wollte."

Wenn Trenkas ins Schwärmen kommen, erstehen alte Zeiten wieder auf: Disko am Mittwoch und Freitag, Tanz am Sonntag. Regelmäßige Klubarbeit vom Fotozirkel über Singeklub bis zum Volleyball. "Der Artur war wie eine Familie." Das Haus war Heimstatt des DRK-Jugendklubs und des Arbeiterjugendklubs von FK. Bis 14 Uhr hatten täglich die Frauen der Schulspeisung das Sagen ("Da wurden an jedem Schultag 1500 Essen gekocht, ich habe etliche davon mit dem B 1000 ausgefahren"), anschließend übernahm die Jugend das Haus. Die sich dort in der Regel vernünftig verhielt, wie sich die Trenkas erinnern. In all den Jahren habe nur ein-, zweimal die Polizei kommen müssen. "Wir hatten eine sehr gute Ordnungstruppe." und außerdem konnte der Klubchef die schrecklichste Strafe aussprechen: "Am meisten Angst hatte jeder vor einem Klubhausverbot."