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Köthen Köthen: Alte und neue Technik bilden eine verlässliche Einheit

Von stefanie greiner 16.01.2012, 19:29

köthen/MZ. - Leise knarren die massiven Holzstufen. Es geht hinauf ins Befehlsstellwerk B2 auf dem Köthener Bahnhof. Unbefugte haben hier normalerweise keinen Zutritt. Für die MZ wird eine Ausnahme gemacht. Einem Fahrdienstleiter eine Stunde über die Schulter gucken zu können, mit diesem Anliegen hatte sich die Lokalredaktion an die Pressestelle der Deutschen Bahn gewandt.

Möglich ist die Recherche im Stellwerk letztlich aber nur, weil Dirk Sternberg dabei ist. Der Notfallmanager des Verkehrsunternehmens und Bezirksleiter für den Betrieb in Köthen achtet darauf, dass der Fahrdienstleiter seiner Arbeit ungehindert nachgehen kann. Weichen und Signale zu stellen, hat Vorrang vor der Beantwortung jedweder Fragen. Wenige Stufen noch. Dann betritt die kleine Gruppe das Reich von Lutz Berger. Es ist 16 Uhr.

Ein historisch anmutendes Konstrukt mit Hebeln, Schaltern und Tasten steht in der Mitte des Raumes. Jedes Bedienelement ist mit Buchstaben gekennzeichnet. Die Hebelbank kann zweifelsfrei als Herzstück des elektromechanischen Stellwerkes bezeichnet werden. Generationen von Fahrdienstleitern haben den Zugverkehr mit der Technik des Herstellers "Siemens & Halske" vom Stellwerk B2 aus koordiniert.

"Ja, Berger", meldet sich der dunkelhaarige Mann. Das Telefon, dessen Hörer er in der rechten Hand hält, entspricht nicht gerade dem neusten Stand der Technik. Und so gleicht das Innenleben des Befehlsstellwerkes einmal mehr einem Museum mit Exponaten der Eisenbahngeschichte. Wäre da nicht der Computerbildschirm, auf dem Linien und Zahlen zu einem für Laien zunächst undurchschaubaren Geflecht verschwimmen.

Es ist die Zugnummernmeldeanlage. Für Fahrdienstleiter Lutz Berger eine wichtige Übersicht über die ein- und ausfahrenden Züge. Plötzlich ein Rattern. Der Köthener tritt an die Hebelbank heran und drückt eine der Tasten. "Ich habe geblockt", erklärt er. "Der Streckenabschnitt vom Güterbahnhof zum Personenbahnhof ist wieder frei für den nächsten Zug."

Sechs Stellwerke gibt es in Köthen. Von den hoch stehenden Anlagen aus haben die Bediener der Weichen, Licht- und Formsignale einen Überblick über ihren Abschnitt des Schienennetzes. "Pausen müssen wir zwischendurch machen", merkt Lutz Berger an. Zwischendurch bedeutet in den Zugpausen. Das sind höchstens zehn Minuten. Insgesamt sind rund 40 Mitarbeiter für die Köthener Stellwerke zuständig. Gearbeitet wird im Schichtdienst.

Von 1975 bis 1978 hat Lutz Berger eine Ausbildung zum Betriebs- und Verkehrsfacharbeiter bei der Reichsbahn gemacht. "1980 habe ich mich zum Fahrdienstleiter qualifiziert", blickt er auf seine Weiterbildung in Aschersleben zurück. In Köthen arbeitete Lutz Berger zunächst im Wärterstellwerk W3. Im Befehlsstellwerk B2 sitzt der Fahrdienstleiter seit nunmehr zwei Jahrzehnten.

"Bis zur Rente sind es noch 15 Jahre", merkt er an. So lange möchte der Köthener seinen Beruf auch noch ausüben. Vorausgesetzt, die Gesundheit macht ihm keinen Strich durch die Rechnung. Aller drei Jahre muss Lutz Berger seine Tauglichkeit für die Arbeit im Stellwerk überprüfen lassen. Auf seinen Hör- und Sehsinn muss sich der Fahrdienstleiter zweifelsfrei verlassen können.

So wäre eine Rot-Grün-Schwäche bei Mitarbeitern der Stellwerke undenkbar. Denn anders als bei Ampeln im Straßenverkehr sind Lichtsignale an Bahnstrecken nicht in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet. Oben rot und unten grün gilt im Schienenverkehr keineswegs. Sich an der Position eines Signals zu orientieren, ist also nicht möglich. Farbfehlsichtigkeit muss deshalb von ärztlicher Seite ausgeschlossen werden.

Das gilt auch für Stressanfälligkeit. Ein psychologischer Eignungstest zeigt, ob potenzielle Weichen- und Signalbediener der Tätigkeit gewachsen sind. Lutz Berger jedenfalls ist die Ruhe in Person. Es ist 16.20. "Von Dessau kommt die Regionalbahn. Da mache ich Einfahrt nach Gleis drei", merkt er an und drückt die entsprechende Taste der Hebelbank nach unten. Klack. "Von Bernburg kommt die Regionalbahn. Da mache ich P - Einfahrt. P wie Paul." Und wieder: Klack.

Der Köthener ist routiniert. Jeder Handgriff sitzt. Das bringt nicht nur die langjährige Erfahrung mit sich, sondern auch die Gewissheit: "Man muss ruhig bleiben." Würde Lutz Berger im Stellwerk hektisch hin und her flitzen, könnte ihm schnell ein Fehler unterlaufen. Für Laien wäre das - angesichts der zahlreichen Hebel und Schalter - mitunter all zu menschlich. Einem Irrtum darf der Fahrdienstleiter trotzdem nicht unterliegen. Er muss äußerst konzentriert arbeiten. Solange alles planmäßig läuft und keine Störungen auftreten, kann nichts passieren.

Störungen können menschlicher und technischer Natur sein. Sollte dem Fahrdienstleiter oder einem der Weichenbediener während der Arbeitszeit unwohl sein, muss der Betroffene das Notfallmanagement der Deutschen Bahn verständigen. In solchen Fällen wird schnellstmöglich Ersatz geschickt.

Chaos breche dann auf dem Köthener Bahnhof aber nicht aus, wie Dirk Sternberg anmerkt. Werde ein Form- oder Lichtsignal nicht ausgelöst, bleibe der Zug im vorherigen Gleisabschnitt stehen. Zu einer Karambolage zweier Züge könne es demnach nicht kommen. "Im Regelbetrieb ist bei uns alles perfekt gesichert", macht der Notfallmanager deutlich.

Was die Technik im Befehlsstellwerk B2 betrifft, vertraut die Deutsche Bahn auf Altbewährtes. Die Hebelbank ist von 1912. Auf dem Tisch steht ein Telefon mit Kurbeltechnik - flankiert von einem modernen Flachbildschirm. "Es ist eine Herausforderung, die alte Technik mit diesem ganzen Neuen zu verknüpfen", merkt Dirk Sternberg an. Aber es funktioniert.

Der Charme des alten Stellwerkes liegt für den Notfallmanager nicht zuletzt darin, dass tatsächlich noch Menschen nötig sind, um die Technik zu bedienen. Das sieht auch Lutz Berger so. "Ich bin immer bei der Bahn gewesen", sagt er. Der Fahrdienstleiter hofft, bis zu seiner Rente im Stellwerk B2 arbeiten zu können. Er öffnet eines der Fenster und blickt hinaus. Ein weiterer Zug passiert seinen Posten.