Köthen Köthen: Abschied von Hopfen und Malz
KÖTHEN/MZ. - Der Mann, der seit dem 1. Mai 1992 Chef der Köthener Brauerei ist und sich am Freitag in den Ruhestand verabschiedet. Nachdem er seinem 65. Geburtstag am 20. Mai noch einige arbeitsreiche Tage angehängt hat. Ob er schon gehen will? "Ich muss", sagt er. "Der Gesetzgeber will es so." Dass es dann doch ein paar Tage länger gedauert hat, macht er an zwei Dingen fest: Die Inhaberschaft der Pfungstädter Brauerei, zu der die Köthener seit 1992 gehört, habe das so gewollt. "Ich aber auch."
Klar: Sein Herz hängt an dem Betrieb, aber er weiß auch, dass er ihn in gute Hände weitergibt. Marion Emme und Michael Schölzel werden nach Kretschmanns Weggang eine Doppelspitze bilden. Bisher waren sie Prokuristen, und der Brauerei-Geschäftsführer kennt sie gut. Gemeinsame 17 Jahre im Unternehmen - das sollte reichen. Alle drei waren 1992 aus der Pfungstädter Vertriebsgesellschaft Könnern nach Köthen gewechselt.
Die Zukunft des Köthener Unternehmens ist also gesichert. Und dabei zählt Kretschmann nicht nur auf seine unmittelbaren Nachfolger. "Wir haben einen sehr guten Stamm von der alten Brauerei übernommen", ist er sich über die Jahre sicher. Das seien über 20 Leute. "Bei uns hat noch keiner aufgehört", lässt er übers Betriebsklima durchblicken. "Wir ziehen an einem Strang seit 1992. Und da bin ich schon ein bisschen stolz drauf."
Kann er wohl auch, denn wie er selbst sagt, hatte 1992 "keiner mehr einen Pfifferling auf Köthen gegeben". Als Brauereistandort. Aber trotz anfänglicher immenser Verluste habe die Pfungstädter Brauerei zu Köthen gestanden. "Wir sind halt kein Großkonzern", sagt Kretschmann. "Bei uns ist noch das Menschliche da."
1992 sei alles marode gewesen im Betrieb. Zwar wurde der Brauprozess noch etwas aufrechterhalten, "aber die Technik war unmöglich". Dann wurde nur noch abgefüllt, aber dennoch war alles zu eng am alten Standort in der Innenstadt. "Wir mussten immer den ganzen Verkehr anhalten wenn nur ein Lkw rein oder raus wollte", erinnert sich Kretschmann an "alte Zeiten". Dann kamen neue: Zusammen mit der Wohnungsgesellschaft Köthen und der Stadt habe man eine Lösung für das alte Objekt gesucht und gefunden, das neue wurde im Gewerbegebiet errichtet. Und immer war Kretschmann auch über den Feierabend hinaus hautnah dran, wohnte schon "unter abenteuerlichen Bedingungen" im alten Gebäude, zog vor rund sieben Jahren in wesentlich schönere Verhältnisse ins neue Objekt um. Und wenn mal einer am Samstag noch Bier haben wollte, wenn die Belegschaft frei hatte, dann kam es schon vor, dass er öffnete, das Gewünschte herausgab und in seinen lockeren Wochenend-Klamotten für den Hausmeister gehalten wurde. Meist ließ er die jeweiligen Lkw-Fahrer in dem Glauben.
Und hat den seinen an die Köthener Brauerei nie verloren. Und den an die Menschen im Osten. Er selbst spricht übrigens lieber von Sachsen, Sachsen-Anhaltern, Thüringern und Hessen (von wo er stammt) als von Ost- und Westdeutschen. Er freut sich über alles, was hier seit der Wende erreicht wurde. Zumal er aus einer Familie stammt, "die mit Geld nicht reich gesegnet war". Er kann Geschaffenes noch schätzen.
Und Gewinne teilen, was die Köthener Brauerei unter seiner Führung zum Beispiel im Sport-Sponsoring unter Beweis gestellt hat. Verbindungen zu den HG-Handballern waren schon entstanden, als der gelernte Kaufmann noch mit einigen von ihnen im alten Brauerei-Gebäude gewohnt hatte. Außerdem treibt er ja selbst gern Sport: Laufen und Rennrad-Flitzen.
Bloß, ob dafür jetzt mehr Zeit bleibt? Denn Kretschmann sagt, dass sein Beruf das größte Hobby sei. So werde er gern zukünftig Unternehmen aus der hiesigen Region beraten - so das gewünscht sei - und dementsprechend oft in Köthen sein. Auch, wenn's jetzt im Prinzip wieder heimwärts nach Pfungstadt geht: zu Frau und fast elfjähriger Tochter.