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Kochbuch aus dem Seniorenheim Kochbuch aus dem Seniorenheim: Wie ein Altenheim aus Köthen zum Vorbild wurde

Von Oliver Müller-Lorey 26.02.2017, 07:00
Dieter Heinecke ist Küchenchef im Seniorenheim St. Elisabeth. In seiner Hand: das Kochbuch
Dieter Heinecke ist Küchenchef im Seniorenheim St. Elisabeth. In seiner Hand: das Kochbuch Oliver Müller-Lorey

Köthen - Wer hätte gedacht, dass sich Großküchen aus ganz Deutschland für Schweinebraten, Rotkohl und Klöße aus Köthen interessieren? Der Grund ist nicht das Essen an sich, sondern, dass es nicht allein von Berufsköchen zubereitet wurde.

Bewohner des Köthener Seniorenheims St. Elisabeth halfen mit, teils im Rollstuhl, teils schon arg vergesslich, aber mit einem Gespür und einer Liebe zum Essen, wie sie heute nicht mehr oft zu finden sind. Das Rezept schaffte es in ein deutschlandweit erfolgreiches Kochbuch und damit kam das Köthener Seniorenheim ganz groß raus.

Suche nach Rezepten aus der Jugend

Alles begann im Sommer 2015, als der Lebensmittel-Großlieferant Transgourmet eine Firma damit beauftragte, deutsche Seniorenheime zu besuchen und die Bewohner nach Rezepten aus ihrer Jugend zu fragen. Daraus sollte ein Kochbuch entstehen.

Eine Station auf der Reise war auch das St. Elisabeth-Seniorenheim in der Köthener Wallstraße. Drei Mal kamen Köche, Autoren und Profi-Fotografen, die mit den Senioren gemeinsam kochten, sprachen, filmten, fotografierten und probierten. Alles während des laufenden Betriebs.

Rezepte von Nordsee bis Bayern

Im Herbst 2015 erschien das mehrere hundert Seiten dicke Buch mit dem Titel „Wir haben einfach gekocht“. Rezepte alter Menschen von der Nordsee bis nach Bayern und mittendrin: der Braten aus Köthen und zahlreiche andere Gerichte. Es sollte eine Erfolgsgeschichte werden.

Die Veröffentlichung des Buchs veränderte im Köthener Seniorenheim mit seinen 120 Bewohnern so einiges. Der Küchenchef, Dieter Heinecke, wird seitdem auf Messen und Podiumsdiskussionen eingeladen und soll Leitern anderer Großküchen erzählen, was sie in Köthen anders machen. „Andere Einrichtungen orientieren sich an unserem Beispiel“, sagt Heinecke.

In Köthen entscheiden die Senioren

Das Geheimnis der Köthener Einrichtung: Die Bewohner dürfen entscheiden, was es zu essen gibt. Sonderwünsche und regionale Kost kommen beim Küchenchef gut an. Häufig wünschen sich die Bewohner auch exotische Gerichte aus ihrer alten Heimat - Pommern und Schlesien zum Beispiel.

Und eine „Schnippelgruppe“ hilft beim Kochen mit: Statt nur Kreuzworträtsel zu lösen, nehmen die Bewohner selbst Messer und Sparschäler in die Hand und helfen bei der Zubereitung. Nachdem dieses Konzept im Senioren-Kochbuch veröffentlicht wird, klingelt in der Wallstraße andauernd das Telefon.

Köthen als leuchtendes Beispiel

Das ZDF-Morgenmagazin wird auf das Seniorenheim aufmerksam und dreht einen Film, die Frauenzeitschrift Tina druckt einen Bericht über die betagten Hobby-Köche. Im Dezember letzen Jahres wird das Seniorenheim schließlich mit einem Preis von Transgourmet geehrt: „Vom Kostenfaktor zum Glücksfaktor“ heißt er. Viele Heime nehmen sich Köthen als Beispiel. Das Buch, erzählt Küchenchef Heinecke, muss 12.000 Mal nachgedruckt werden, weil die ersten 8.000 Exemplare im Nu vergriffen sind.

Eines der Bücher steht im Schrank von Christel Rahn, einer aufgeweckten Seniorin, die vor anderthalb Jahren beim Kochen dabei war. „Meine Enkelin will sich das Buch ausleihen. Ich sage: ,Aber nur wenn ich es unbeschadet wiederbekomme’“, erzählt die 85-Jährige. Dass das Buch so gut ankommt, und das Seniorenheim so bekannt geworden ist, freut sie sehr. Im Kochbuch sind freilich nicht nur Rezepte aus Köthen, sondern auch aus anderen Einrichtungen aus ganz Deutschland. „Auch die anderen Rezepte schaue ich mir gerne an“, sagt Christel Rahn. (mz)