1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Kensho Miyoshi untersucht, wie Menschen Empathie mit Gegenständen aufbauen

Promotionspreis der Hochschule Anhalt in Köthen Kensho Miyoshi untersucht, wie Menschen Empathie mit Gegenständen aufbauen

Von Jakob Milzner 11.12.2021, 14:00
Mit seiner Arbeit über Kinästhetische Empathie hat Kenyo Miyoshi den Promotionspreis der Hochschule Anhalt gewonnen.
Mit seiner Arbeit über Kinästhetische Empathie hat Kenyo Miyoshi den Promotionspreis der Hochschule Anhalt gewonnen. (Foto: Sam Spicer)

Köthen/MZ - Die Biegung eines Baumes im Wind. Wie sich eine Ticket-Schranke schließt. Oder eine Tür sich öffnet: Das alles sind Bewegungen unbelebter Objekte, die uns im Alltag begegnen. Über die wir selten, möglicherweise noch nie, nachgedacht haben.

Doch wenn es nach Kensho Miyoshi geht, sollten wir das vielleicht häufiger tun. Denn der ist überzeugt: So wie wir Empathie mit unseren Mitmenschen entwickeln, so erzeugen auch bewegte Gegenstände Mitgefühl in uns. „Kinästhetische Empathie nennt“ nennt er das. Mit seiner Dissertation hat Miyoshi jüngst den Promotionspreis der Hochschule Anhalt gewonnen, der in Köthen verliehen wurde.

„Mein Ziel war es, einen neuen Weg zu finden, Gegenstände zu entwerfen, die sich bewegen, um ihre Funktionen zu erfüllen“

„Mein Ziel war es, einen neuen Weg zu finden, Gegenstände zu entwerfen, die sich bewegen, um ihre Funktionen zu erfüllen“, sagt der 31-Jährige. Ein Beispiel, an dem er seine Gedanken erläutert, sind die Ticket-Schranken der Londoner Metro. Manche von diesen würden so schlecht gewartet, dass sie sich mit quietschenden, manchmal krachenden Bewegungen öffneten, berichtet der Designer, der unter anderem am Royal College of Art in London studiert hat und die Ticket-Schranken der dortigen U-Bahn regelmäßig passierte. „Es ist wirklich schmerzhaft, die Ticket-Schranken zu beobachten, wie sie sich selbst verletzen“, erinnert sich Miyoshi.

„Auch wenn wir selbst nie eine Ticket-Schranke waren und kein Teil unseres Körpers aus Plastik, Kunstharz oder einer metallischen Struktur gefertigt ist, wissen wir irgendwie doch, wie sich das anfühlt“ sagt der 31-Jährige. „Diese Art der Bewegung wurde entworfen und beeinflusst unsere körperliche Reaktion“, fährt er fort. Letztlich gehe es darum, „wie sich die Menschen durch diese gestaltete Bewegung fühlen.“

Indirekt bedeute das, „unser Empfinden von Bewegungen zu gestalten. Wie unser Körper auf gestaltete Artefakte oder Umgebungen reagiert.“ Man könnte auch sagen: Gegenstände so zu designen, dass uns ihre Bewegungen nicht stressen, sondern beruhigen, vielleicht unser Wohlbefinden steigern. Wie wenn wir die graziösen Bewegungen eines Ballet-Tänzers verfolgen.

Von der Geburt an würden wir unsere Sinneseindrücke und Erfahrungen wie in einer Bibliothek sammel

Am Anfang seiner Arbeit habe er sich vor allem für solche anmutigen Bewegungen interessiert, berichtet Miyoshi. Er wollte herausfinden, was die Essenz einer anmutigen Bewegung ist – sei es die einer tanzenden Person, eines Tiers oder eines Vorhangs im Wind. Doch dann habe er die Perspektive geändert. Von nun an lautete die Frage: „Warum empfinde ich Anmut bei diesen Arten von Bewegungen?“

Also begann Miyoshi nach Gründen zu suchen. Und fand sie in seinen eigenen Erinnerungen. „Woher wissen wir, wie sich Vorhänge fühlen“, fragt der Designer und liefert die Antwort gleich hinterher: „Obwohl wir keine Vorhänge sind, haben wir Ähnliches erlebt wie die Bewegungen der Vorhänge, die wir beobachten.“ Denn von der Geburt an würden wir unsere Sinneseindrücke und Erfahrungen wie in einer Bibliothek sammeln. „Wir haben viele Materialien berührt und viele Arten von Kräften gespürt“, sagt Miyoshi. „Und das versetzt uns in die Lage, etwas, das wir sehen und das sich offensichtlich von einem menschlichen Körper unterscheidet, emphatisch zu erleben.“

Auch mit der Hochschule Anhalt verknüpft er eine Bewegung

Miyoshi, der heute in Tokio lebt, weiß um die Schwierigkeit, Mitgefühl mit Gegenständen zu beschreiben. Dennoch hat er in seiner Dissertation 15 Formen der Empfindung von Bewegungen kategorisiert: Darunter sind Gefühle wie Balance, Spannung oder Vibration. Auch mit der Hochschule Anhalt verknüpft er eine Bewegung: Die des Fahrradfahrens. So habe er einmal mit seinem Betreuer Michael Hohl eine Tour durch Dessau unternommen, an die er gern zurückdenke. „Eines Tages komme ich zurück nach Dessau“, sagt Kensho Miyoshi.