1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Hospizdienst in Köthen bereitet Menschen in „Letzte-Hilfe-Kursen“ auf Umgang mit dem Tod vor

„Sterben müssen wir alle“ Hospizdienst in Köthen bereitet Menschen in „Letzte-Hilfe-Kursen“ auf Umgang mit dem Tod vor

Wie bereitet man sich darauf vor, wenn ein geliebter Mensch aus dem Leben scheidet. Eine Kursteilnehmerin erzählt und rät, sich zu informieren.

Von Sylke Hermann Aktualisiert: 20.03.2022, 09:42
Damit Hinterbliebene nicht in Zweifel geraten, sollten viele Dinge, die den Tod betreffen, im Vorfeld intensiv besprochen werden.
Damit Hinterbliebene nicht in Zweifel geraten, sollten viele Dinge, die den Tod betreffen, im Vorfeld intensiv besprochen werden. (Foto: dpa)

Köthen/MZ - Annett Osterland sieht in ihrem Notizblock nach. Ausgerechnet das, was sie jetzt, Tage später, gern nachschlagen würde, hat sie nicht mitgeschrieben. Und sich im Detail auch nicht gemerkt. Doch das ist das kleinste Problem. Christiane Patzer kann helfen. Sie leitet den Ambulanten Hospizdienst der Kanzler von Pfau’schen Stiftung. Annett Osterland ist regelmäßig Gast im Trauercafé. Daher kennen sich die beiden Frauen.

Als die 43-Jährige, die in Bernburg an der Hochschule Anhalt einmal Ökotrophologie studiert hat und inzwischen bei einem Unternehmen in der Stadt Südliches Anhalt als Qualitätsbeauftragte arbeitet, von dem Kursangebot erfährt, meldet sie sich an. Auch, weil sie damals gern besser vorbereitet gewesen wäre, besser informiert. Vor drei Jahren verliert sie einen ihr sehr nah stehenden Menschen. Dieser erstmals angebotene Letzte-Hilfe-Kurs der Stiftung ist für sie die Gelegenheit, „all die Punkte anzusprechen, die man im Alltag zurückdrängt“.

„Man sollte sich mit dem Sterben auseinandersetzen, wenn es allen gut geht“

Letzte Hilfe leisten – darüber sollten alle mehr wissen, ist Annett Osterland überzeugt. Sie weiß aus eigener Erfahrung, „dass man die sensiblen Themen Sterben und Tod gern verdrängt“. Das sei falsch, sagt sie und sitzt kürzlich mit ein paar Frauen gemeinsam im Musiksalon des Köthener Lutzestiftes, um zu lernen, wie man sich richtig verhält und was man wissen sollte, wenn ein Familienmitglied, ein Freund im Sterben liegt.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Kurs: „Dass man das Leben leben sollte und den Moment genießen.“ Und: „Man sollte sich mit dem Sterben auseinandersetzen, wenn es allen gut geht.“ In vier Modulen des mehrstündigen Kurses erfährt man mehr über Sterben als Teil des Lebens, vorsorgen und entscheiden, Leiden lindern und Abschied nehmen.

„Ich wusste nicht, was mich erwartet“, erzählt Annett Osterland im Nachhinein, die „offen in alle Richtungen“ bleiben wollte. „Es geht nicht darum, dass man Hilfe in einem akuten Fall bekommt, sondern wie man sich vorbereitet.“ Sie ist das damals nicht, wäre es aber gern gewesen.

ie Teilnehmer erhalten auch nützliche Hinweise, wie man Schmerzen lindern kann

Seit dem Kurs weiß sie zum Beispiel, dass sie noch einmal an ihrer Patientenverfügung arbeiten muss. Annett Osterland rät, dieses Papier regelmäßig zu aktualisieren. Und auf konkrete Formulierungen zu achten. Zum Beispiel sei die Wortgruppe „über den Tod hinaus“ von besonderer Bedeutung. Was passiert etwa, wenn nach dem Tod für einen Verstorbenen Post eintrifft? Wer darf die Briefe dann öffnen? Auch das sollte im Vorfeld geklärt sein.

Doch der Kurs, den Annett Osterland ausdrücklich jungen Menschen ans Herz legt, beschäftigt sich nicht nur mit Regularien und formellen Dingen. Die Teilnehmer erhalten auch nützliche Hinweise, wie man Schmerzen lindern kann, wenn ein geliebter Mensch im Sterben liegt. Was den Menschen am Ende ihres Lebens gut tut.

Annett Osterland weiß jetzt, dass es helfen kann, mit einem in Wasser getränkten Stäbchen über die Lippen zu streichen, um das Durstgefühl zu lindern. Oder die eigene Hand nicht auf, sondern unter die eines geschwächten Angehörigen zu legen; so kann der sie leichter wegziehen, wenn das unangenehm oder gar schmerzhaft sein sollte. Auch sei es am Ende des Lebens besser, um zu zeigen, dass man da ist, den Sterbenden in der Nähe des Kopfes oder der Schulter zu berühren, weil diese Körperpartien sensibler seien. Sensibler als Hände oder Arme. „In akuten Situationen hat man den Kopf nicht frei, sich mit diesen Dingen zu beschäftigten“, sagt Annett Osterland. Deshalb sei es ratsam, dass vorher zu tun. Miteinander zu reden. Auch darüber, wie und wo jemand beerdigt werden möchte. „Wir sind alle in dem Bewusstsein auseinandergegangen, dass wir in der Familie vieles noch einmal besprechen sollten.“

Dinge im Vorfeld festlegen

Annett Osterland sieht sich nach diesem Letzte-Hilfe-Kurs „bestärkt, dass ich damals vieles richtig gemacht haben“. Sie betont: „Es ist wirklich wichtig, dass man sich zu Lebzeiten mit dem Thema Tod auseinandersetzt.“ Und gemeinsam Dinge festlegt, so dass Hinterbliebene nicht in Zweifel geraten.

Natürlich, räumt die Kursteilnehmerin ein, möchte sich niemand mit dem Thema beschäftigen und würde es am liebsten verdrängen. Das sei absolut nachvollziehbar und verständlich. Aber: „Sterben müssen wir alle.“

Weil das Thema so wichtig sei, erklärt Christiane Patzer, plane der Ambulante Hospizdienst weitere Letzte-Hilfe-Kurse. Einen neuen Termin gibt es noch nicht.

Interessenten können sich trotzdem bereits vormerken lassen – bei Christiane Patzer unter der Rufnummer 01511/7605937.