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Gutes Aussehen für kleines Geld

Von CLAUS BLUMSTENGEL 07.10.2009, 16:16

KÖTHEN/MZ. - Dazu hat die BVIK gGmbH ("Bilden, Vermitteln, Integrieren, Kommunale Dienstleistungen") in der Kirchstraße 1 einen Sozialen Eigenbetrieb Kosmetik gegründet. Dank der Förderung durch den Europäischen Sozialfonds innerhalb des Bundesprogramms "Stärken vor Ort" kann dort die ausgebildete Kosmetikerin und medizinische Fußpflegerin Anke Vogt ihre Leistungen zu einem Preis anbieten, der dem äußerst begrenzten Budget der Haupt-Zielgruppe entspricht.

Dieses Angebot, das auf eine Idee von BVIK-Geschäftsführer Dr. Ulrich Heller zurückgeht, ist zurzeit nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern bundesweit einmalig. Laut Projektbegleiterin Claudia Vogel steht dahinter die Erkenntnis, dass ein gepflegtes Aussehen und damit verbunden ein sicheres Auftreten die Chancen bei Vorstellungsgesprächen deutlich erhöhen. Für professionelle Pflege haben aber Hartz IV-Empfänger nicht nur kein Geld, "bei längerer Arbeitslosigkeit vernachlässigt sich ein Mensch nicht selten, achtet nicht mehr auf sein Äußeres und gibt sich mitunter sogar auf", schildert Kosmetikerin Anke Vogt ihre Erfahrungen. Die 47-Jährige weiß, wovon sie spricht, war sie doch aus gesundheitlichen Gründen selbst lange arbeitslos. "Ich möchte meinen Kunden mit den Behandlungen Wohlbefinden, Mut und Selbstwertgefühl geben und die Zuversicht, dass sie es schaffen können", sagt Vogt.

Das Kosmetik-Studio ist in der ehemaligen Sekundarschule in Klepzig, einem unansehnlichen DDR-Plattenbau, eingerichtet. So skeptisch der ahnungslose Besucher die Treppe in den ersten Stock erklimmt, so erstaunt ist er dann, wenn er den freundlichen Empfangsraum des Kosmetik-Salons betritt. Reispapierlampen, Duftöle, Teelichter und weitere Accessoires geben ihm das Gefühl, dass er hier den Alltag hinter sich lassen kann. "Mit diesem schönen Ambiente wollen wir unseren Kunden zeigen, dass wir auf ihren Besuch Wert legen, dass ihnen hier etwas Besonderes geboten wird", erklärt Anke Vogt, die bei der Einrichtung der Räume ihre Ideen eingebracht hat. Ausgestattet ist der Soziale Eigenbetrieb Kosmetik unter anderem mit Kosmetik- und Massageliege, Bedampfungsgerät, Lupen-Leuchte, Geräten für Maniküre und Pediküre.

Ihre ersten Kundinnen und Kunden fand Anke Vogt unter den rund 650 Männern und Frauen, die in der BVIK an Fördermaßnahmen teilnehmen. "Viele Teilnehmer müssen erst ermutigt werden, die meisten waren ja noch nie bei einer Kosmetikerin", weiß Projektbegleiterin Vogel. "Es ist schön, zu sehen, wie die Kunden, die oft große private Probleme haben, anschließend strahlen und glücklich sind", schildert Anke Vogt. Erlebt habe sie das zum Beispiel bei einer 23-jährigen Frau aus dem Förderprogramm "Jobstart". Nach der Typberatung und dem Schminken habe die schüchterne junge Dame begeistert in den großen Spiegel geschaut und gemeint, man hätte ein "vorher-nachher"-Foto machen sollen. Dabei schminke sie ihre Kundinnen nur dezent, um den jeweiligen Typ zu betonen, sagt die Kosmetikerin. Es gehe um ein gepflegtes Gesicht, um schöne Hände, um ein Äußeres, dass dem Anlass entspricht. Da seien aufgeklebte Fingernägel "und andere Schicki-Micki-Sachen" tabu.

Kosmetik sei durchaus auch etwas für Männer, tritt sie Vorbehalten entgegen und nennt als Beispiele Hautdiagnose und Akne-Behandlung für Jugendliche und medizinische Fußpflege, die besonders von Älteren in Anspruch genommen werde. "Männer, die einmal hier waren, kommen immer wieder", lautet ihre Erfahrung.

Die Frage, ob der von der Europäischen Union und vom Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend mit 10 000 Euro geförderte Soziale Eigenbetrieb Kosmetik keine Konkurrenz für etablierte Kosmetikstudios in Köthen ist, verneinen die beiden Frauen einhellig. Langzeitarbeitslose und Geringverdiener könnten sich eine kosmetische Behandlung sonst überhaupt nicht leisten, stellen sie fest. Wer die preisgünstige Behandlung in Anspruch nehmen will, müsse einen Bescheid über Leistungen des Jobcenters vorlegen. Natürlich könnten auch Berufstätige den Kosmetiksalon in der Kirchstraße in Anspruch nehmen, dann allerdings zu einem höheren Preis, informiert Anke Vogt.

Die Förderung des seit dem 1. Juli laufenden Projekts ist bis zum 31. Dezember 2009 befristet. Vogt hofft, dass sich der Soziale Eigenbetrieb Kosmetik bis dahin zu einem Selbstläufer entwickelt. Das ist dann möglich, wenn zu den Kunden auch Berufstätige gehören, die sich etwas Gutes gönnen und sich mit ihrem dafür entrichteten Obolus gleichzeitig sozial engagieren möchten.

Terminvereinbarungen sind vorerst nur über die Handy-Nummer

0176-17 72 22 89 möglich.