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Kriegsende 1945 Großer Wunsch nach Frieden - Wie an Köthens Befreiung durch US-Truppen vor 80 Jahren erinnert wurde

Es war am Montag ein besonderes Treffen in Köthen: Worüber die Konsulin, ein Stadtführer, ein Pastor und ein früherer Kulturamtsleiter sprachen.

Von Wolfram Schlaikier Aktualisiert: 06.05.2025, 11:47
Im Beisein von Raymond Schulz (l.) überreicht Klaus Jurke (M.) vom Malzirkel Konsulin Courtney Mazzone (r.) eine Stadtansicht von Köthen.
Im Beisein von Raymond Schulz (l.) überreicht Klaus Jurke (M.) vom Malzirkel Konsulin Courtney Mazzone (r.) eine Stadtansicht von Köthen. (Foto: Ute Nicklisch)

Köthen/MZ. - Klaus Jurke war sieben Jahre alt, als amerikanische Truppen im April 1945 in Köthen einmarschiert sind. „Wir hatten eine Panzersperre direkt vor unserm Haus in der Leipziger Straße. Die Panzer der US-Armee kamen von der Hohen Brücke in die Stadt. Die Amerikaner haben zu den Deutschen gesagt: Wenn die Panzersperre nicht innerhalb von 24 Stunden verschwunden ist, fahren wir mit unseren Panzern durch eure Häuser“, erinnert sich der 87-Jährige. Deutsche Männer hätten die Panzersperre dann schnell beseitigt.

Jurke gehört dem Malzirkel an und ist am Montag einer von zahlreichen Gästen einer Gedenkfeier „80 Jahre Befreiung“, die der Sanitätsverein Köthen unter Leitung von Raymond Schulz mit der gemeinnützigen Organisation „Flamme des Friedens“ und dem Malzirkel ausgerichtet hat. Rund 30 meist ältere Menschen treffen sich an der Sanitätsschule zu einer Andacht mit Musik, Gedichten und Ansprachen.

Ehrengast der Feier ist Courtney Mazzone, Konsulin für politisch-wirtschaftliche Angelegenheiten am US-Generalkonsulat in Leipzig. „Unser Ziel ist es, die Vergangenheit anzuerkennen und gleichzeitig die Versöhnung und den Fortschritt in den deutsch-amerikanischen Beziehungen zu feiern“, sagt Mazzone. Das schließe auch die Erinnerung an die Befreiung zahlreicher Konzentrationslager vor 80 Jahren in Deutschland durch US-Truppen ein, Hilfen im Kampf gegen Antisemitismus sowie die Förderung des Gedenkens an den Holocaust.

„Lassen Sie uns die Gelegenheit nutzen, nicht nur über die Vergangenheit nachzudenken, sondern auch unser Bekenntnis zu den gemeinsamen Werten zu erneuern.“

Courtney Mazzone, US-Konsulin für politisch-wirtschaftliche Angelegenheiten

„In den Vereinigten Staaten bezeichnen wir die Veteranen des Zweiten Weltkriegs als die Größte Generation, als einen Ausdruck der Anerkennung für ihren Mut und ihre Opfer in einem Krieg, der weit entfernt von ihrer Heimat geführt wurde“, sagt Mazzone. Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen hätten die Welt von heute geprägt und ehemalige Feinde zu Verbündeten gemacht, erklärt die Konsulin.

„Lassen Sie uns die Gelegenheit nutzen, nicht nur über die Vergangenheit nachzudenken, sondern auch unser Bekenntnis zu den gemeinsamen Werten zu erneuern, die aus den historischen Momenten hervorgegangen sind: Demokratie, Menschenwürde und internationale Zusammenarbeit.“

Der Gästeführer Christian Ratzel zitiert Franklin D. Roosevelt, US-Präsident von 1933 bis zu seinem Tod im April 1945, der erklärt hatte: „I have seen war... I hate war.“ („Ich habe den Krieg gesehen... Ich hasse den Krieg.“)

Dass die Amerikaner die Stadt Köthen vor 80 Jahren kampflos eingenommen hätten, werde zwar immer wieder erzählt, sei aber nicht richtig. Köthen sei wegen des Militärflughafens, wegen der Flugzeugmotorenwerke von Junkers und der chemischen Industrie ein strategisches Ziel der Amerikaner gewesen. Es habe zwei Bombenangriffe auf Köthen gegeben, einen am 20. Juli 1944 und einen zweiten im Februar 1945. Beide Angriffe seien von der achten US-Luftflotte geflogen worden, wobei es schwere Zerstörungen der Wirtschaftsanlagen gegeben habe.

„Die Amerikaner wollten im April 1945 schnell durch Köthen, um die Industriegebiete in Dessau und Bitterfeld zu erreichen.“

Christian Ratzel, Gästeführer in Köthen

„Anfang April 1945 war Köthen kein wirklich wichtiges Ziel für die Amerikaner. Sie wollten schnell durch Köthen, um die Industriegebiete in Dessau und Bitterfeld zu erreichen“, so Ratzel weiter. Das sei die Aufgabe der „3rd Armored Division“ gewesen, der „3. US-Panzerdivision“, die sich in Einsatzverbände, die „Task Forces“ aufgeteilt habe, darunter auch der rund 400 Mann umfassende Verband des 29-jährigen Colonel Samuel Mason Hogan (1915 bis 2005).

Die Amerikaner hätten am 14. April angegriffen und schnell starke Gegenwehr erfahren von Soldaten der Infanterie-Division Scharnhorst, die „komplett indoktriniert“ gewesen seien. Die Amerikaner hätten von Könnern aus den Flugplatz in Köthen angegriffen, sowie von Westen aus über Großpaschleben. Allein dort seien vier US-Panzer zerstört und mehr als 30 Deutsche getötet worden, viele von ihnen 17 bis 19 Jahre alt. Wie viele Amerikaner dort starben, sei nicht bekannt, so Ratzel weiter.

Courtney Mazzone und Lutz Bohne enthüllen eine Tafel, die an Köthens Befreiung 1945 durch die 3. US-Panzerdivision erinnert. Bohne lebt in Löberitz und trägt die historische Uniform eines Captains der US Army.
Courtney Mazzone und Lutz Bohne enthüllen eine Tafel, die an Köthens Befreiung 1945 durch die 3. US-Panzerdivision erinnert. Bohne lebt in Löberitz und trägt die historische Uniform eines Captains der US Army.
(Foto: Ute Nicklisch)

In jüngerer Zeit publizierte Berichte wie der von Colonel Hogans Sohn William vom November 2024 zeigten, dass die Amerikaner damals genau wussten, wogegen sie kämpften: Denn diese Truppen hätten auch die Konzentrationslager („KZ) der Nazis in Buchenwald und Mittelbau-Dora befreit.

„Es dauerte 36 Stunden, bis Köthen befreit war, wobei die Hauptkämpfe im Süden der Stadt passierten.“ Heftige Gefechte habe es am nächsten Morgen auch in Klepzig gegeben. „Am Hohlen Tore finden sich noch heute Einschusslöcher von Maschinengewehren“, berichtet Ratzel.

Pfarrer Horst Leischner leitet eine Andacht mit Musik von Madge Conacher und Gedichten, vorgetragen von Horst-Peter Lämmler.
Pfarrer Horst Leischner leitet eine Andacht mit Musik von Madge Conacher und Gedichten, vorgetragen von Horst-Peter Lämmler.
(Foto: Ute Nicklisch)

Mehrere Redner auf der Gedenkfeier erwähnen den Krieg in der Ukraine und bringen ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass dort bald Frieden geschlossen werde. Pfarrer Horst Leischner spricht das „Gebet für den Frieden“ des Heiligen Franz von Assisi: „Herr, mach mich zu einem Werkzeug Deines Friedens, / dass ich liebe, wo man hasst; / dass ich verzeihe, wo man beleidigt; / dass ich verbinde, wo Streit ist; / dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist; / dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht….“

Horst-Peter Lämmler, der vor rund 30 Jahren das Kulturamt in Köthen geleitet hatte, trägt das 1951 verfasste Gedicht „Bitten der Kinder“ von Bertolt Brecht vor: „Die Häuser sollen nicht brennen. / Bomber sollt man nicht kennen. / Die Nacht soll für den Schlaf sein. / Leben soll keine Straf sein. / Die Mütter sollen nicht weinen. / Keiner sollt töten einen. / Alle sollen was bauen, / Da kann man allen trauen. / Die Jungen sollen’s erreichen. / Die Alten desgleichen.“