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Grillwagen-Betreiber in Köthen Grillwagen-Betreiber in Köthen: Hähnchen-Dieter geht in Rente

Von sylke hermann 05.08.2015, 08:50
Dieter Fischer und seine Hähnchen: immer schön knusprig, goldbraun und saftig. Der 63-Jährige verlässt den Grillwagen und geht in Rente.
Dieter Fischer und seine Hähnchen: immer schön knusprig, goldbraun und saftig. Der 63-Jährige verlässt den Grillwagen und geht in Rente. Heiko Rebsch Lizenz

köthen - Trauer. „Die Fahnen hängen auf Halbmast“, gesteht Thea Scholz. „So lange er hier ist, kommen wir mindestens zweimal die Woche her.“ Und nun? „Na, wenn ich das wüsste ...“

Hähnchen-Dieter geht. Am Donnerstag fährt er ein letztes Mal mit seinem Thurländer Grillwagen auf dem Köthener Markt vor, rollt auf seinen Stammplatz, stellt den Motor aus, öffnet die Luke - und dann kann es fast schon los gehen. „Ein bisschen brauche ich noch.“ Vielmehr seine Ware, die zwar schon leicht angebräunt, aber noch nicht durch ist. Er hat das im Gespür, erzählt er und beweist es später. Er hakt einen komplett bestückten Grillspieß aus der Verankerung und sagt ohne lange zu fackeln: „Zehn Minuten brauchen sie noch.“

Eine Frage des Gewichts

Für Hähnchen-Dieter, der übrigens Dieter Fischer heißt, ist die Frage des richtigen Garpunktes unbedingt eine Frage des Gewichtes. Keine Druckprobe. Kein unschöner Pieks mit der Fleischgabel. Einfach nur Gespür und Erfahrung.

Seit 1990 grillt der Mann mit dem grau gewordenen Schnauzer und dem fröhlichen Gemüt Hähnchen. An seinem ersten Tag im Betrieb, überlegt er, schickte man ihn nach Roßlau, wo er mit einem Kollegen vor der Kaufhalle stand. „Ich musste ja erstmal lernen, wie das alles funktioniert.“ Fischer, der Rinderzüchter gelernt hat, heute 63 ist und in den Ruhestand geht, hatte damals noch kein eigenes Fahrzeug. Und schon gar keinen modernen Imbisswagen, aus dem heraus er heute seine Hähnchen und Würstchen anbietet.

Zu kalt oder zu heiß

„Anfangs haben wir noch draußen vor dem Grill gestanden und verkauft. Das war im Sommer angenehmer, weil ab und zu mal ein Lüftchen ging, wenn man Glück hatte. Dafür war es im Winter bitterkalt. Wenn ich morgens aus dem Schlafzimmerfenster geguckt habe und das Dach war weiß, war ich schon satt“, gesteht er. Alles habe er versucht, sich gegen die unangenehme Kälte zu schützen: gefütterte Schuhe, Wollsocken, Heizdecke. Er winkt ab: „Wenn es kalt war, haben wir eben gefroren.“

Seit 2008, schätzt er, steht er nun in seinem modernen, rollenden Verkaufswagen und hat ein komplett anderes Empfinden für Sommer und Winter: „Jetzt ist es im Sommer oftmals unerträglich und im Winter recht angenehm“, schildert er und vergisst darüber beinahe, seine Hähnchen an den Mann zu bringen. Beziehungsweise an die Frau.

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Stammkundin Thea Scholz hört ihren Hähnchen-Verkäufer zwar unheimlich gern erzählen, aber diesmal wird sie etwas ungeduldig. Sie hat einen Arzttermin. Und ihr Hähnchen-Dieter sei doch nur bis drei in seinem Wagen. „Nein, wieso das; ich bin bis 18 Uhr da“, korrigiert er die Köthenerin. Die ihre zwei Halben trotzdem schon mitnimmt und lieber das Wartezimmer beim Internisten hungrig macht, als später womöglich leer auszugehen. Natürlich weiß der vierfache Großvater ganz genau, wie Thea Scholz ihre Halben am liebsten mag. „Schön blond.“ „Was soll ich denn mit so einem zähen, dunklen Tier, was womöglich auch noch trocken ist“, scherzt die Rentnerin. Ihre komplette Familie liebe schließlich die Thurländer Hähnchen vom Köthener Markt. Ihre Katzen auch. „Aber nur von Dieter“, betont sie. „Er ist immer freundlich und gibt sich die allergrößte Mühe, seine Kunden zufriedenzustellen..“

„Das war am Anfang meine größte Sorge“, blickt er zurück. „Ich hatte Angst, ob die Hähnchen wirklich durch sind. Ob die Kunden zufrieden sind und wiederkommen.“ Die Angst hatte er irgendwann nicht mehr. Dieter Fischer, zu Hause in Salzfurtkapelle, hat sich mit den Jahren seine Stammkundschaft erarbeitet. Und seinen Rhythmus gefunden. Er kann es nicht leiden, wenn seine Kunden lange warten müssen, auch wenn es manchmal für seinen Geschmack noch ein bisschen früh für eine halben Hahn wäre. Deshalb schmeißt er gleich früh morgens, wenn er in Thurland seinen frisch bestückten Wagen übernimmt (spätestens um acht ist das der Fall), den Grill an. „Etwa 20 Minuten. Dann bekommen sie gleich ein bisschen Farbe“, erklärt er. Nach etwa einer Stunde ist das aufgespießte Geflügel dann durch.

Schön braun und knusprig

Sieben Hähnchen passen übrigens auf einen Spieß, von denen sechs übereinander hängen und sich unermüdlich drehen, damit die Ware von allen Seiten schön braun und knusprig wird und dennoch saftig bleibt.

Wenn Dieter Fischer jetzt im Ruhestand ist, Zeit für Haus und Hof hat, für seine Familie und die vielen Tiere („wir haben Pferde, Kaninchen, Hühner, Gänse und zwei Katzen“), will er sich ab und an auch mal einen halben Hahn schmecken lassen. Der Heißhunger auf die Gold-Broiler ist weg. „Ich habe keine Ahnung, wie viele Tiere ich über die Jahre gegrillt habe....“ Jetzt ist Schluss damit. Und ein Gefühl der Ungewissheit macht sich breit. „Ich habe mein Leben lang gearbeitet und wollte jetzt mehr Zeit haben.“ Trotzdem: „Ich habe ein mulmiges Gefühl.“