Geschichte Geschichte: Lehrer mit Inventarstempel
quellendorf/MZ - Man merkt schnell, dass sich in der Gaststätte „Harmonie“ in Quellendorf nicht nur ehemalige Kollegen, sondern Freunde begegnen. Und Harmonie herrscht unter den 30 Ehemaligen allemal. Ein Händedruck hier, eine herzliche Umarmung da. Es bedarf keiner förmlichen Begrüßung, denn die Gespräche der Lehrer untereinander laufen seit der ersten Minute rege. Dennoch ergreift kurz nach 17 Uhr Eva-Maria Strobel das Wort: „Es ist schön, dass ihr alle hier seid. Und nochmals einen herzlichen Dank an Roswitha Schulze und alle, die fleißig rumtelefoniert haben, um so viele wie möglich an dem heutigen Tag zusammenzutrommeln.“
Zeit ist ins Land gezogen. Ein trauriges Jubiläum wird im Juli gefeiert - jenem Datum, an dem die Sekundarschule „Käthe Kollwitz“ in Quellendorf ihre Pforten schließen musste – für immer. Eckard Spanier, 13 Jahre Schulleiter und 27 Jahre Lehrer an der Schule, erinnert sich an den Tag, als sei es gestern gewesen: „Der Tag im Juli ist mir sehr in Erinnerung, es war ein einschneidendes Erlebnis für uns alle.“ Doch an Treffen wie diesen sei die Schließung in den Hintergrund gerückt. Man genieße das Zusammensein. „Schön ist es auch, dass man viele Kollegen wiedertrifft, die schon in den 70er oder 80er Jahren die Schule verließen. Da hört man so viele interessante Geschichten, die man sonst nie zu hören bekommen hätte“, freut sich der Quellendorfer, der nun bereits seit neun Jahren die Sekundarschule in Zörbig leitet.
Auch Undine Thiele erinnert sich sowohl mit einem lachenden als auch weinenden Auge an die Schulzeit in Quellendorf. Die Deutsch-, Geschichts- und Sozialkundelehrerin, die von 1986 bis 2003 unterrichtete, erzählt: „Wir wollten an dieser Schule als Lehrer alt werden, doch dann war nach 17 Jahren für mich Schluss. Ich dachte, für mich bricht eine Welt zusammen.“ Ihr Weg führte sie danach an das Gymnasium Philantropinum in Dessau – wo sie nun bereits seit zehn Jahren lehrt. „Es dauerte nicht lange, da hatte ich mich dort eingelebt und es herrscht ein gutes Klima – aber das ist nichts im Vergleich zur Quellendorfer Sekundarschule.“ Vor allem die Klassenfahrten nach der Wende seien ihr in Erinnerung geblieben und es gab eine besondere Fahrt, an die sie sich immer erinnern wird. „Wir waren mit einer zehnten Klasse in Paris. Eine Schülerin hatte einen schlimmen Unfall und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Ich weiß noch, als wir sie zurücklassen mussten“, berichtet sie, „doch als ich dann wieder zuHause war, fand ich in Köthen einen netten Arzt, der alles organisierte und ich bin im Krankenwagen nach Paris mitgefahren, um sie wieder nach Deutschland zu holen.“ In solchen Momenten wünschte man sich, kein Lehrer zu sein, gibt sie zu. Aber nicht nur ihre Schüler, die ihr sogar nach zehn Jahren noch Karten zum Geburtstag schicken, auch ihre Kollegen sind ihr sehr ans Herz gewachsen, deswegen komme sie auch nach zehn Jahren noch immer sehr gern zu Ehemaligentreffen oder zu Geburtstagen.
„Manche Lehrer haben, als die Schule geschlossen wurde, einen Inventarstempel von uns bekommen“, lacht Kerstin Sonntag, damals Russisch- und Deutschlehrerin. Sie war 21 Jahre Lehrerin an der Sekundarschule. Für sie seien die alten Zeiten noch sehr präsent, hat sie doch noch immer Stundenpläne und Lehrerkalender von damals. „Da schaue ich manchmal nach, wenn ich einem Schüler begegne, der mir bekannt vorkommt“, erzählt die Pädagogin, die in Lausigk wohnt. Ihr Weg führte sie danach an die Völkerfreundschaft nach Köthen, wo sie eine fünfte Klasse übernahm. Doch das Klima in Quellendorf gefiel ihr besser.
Bei Speis und Trank vergingen die Stunden sehr schnell – und die Pädagogen genossen jede Minute der Zusammenkunft. Und eines steht bereits jetzt fest: Im nächsten Jahr werden sie sich wiedertreffen, und darauf freuen sich die Lehrer schon jetzt.