Gemeinsam gegen Leukämie Gemeinsam gegen Leukämie: Wieso eine Köthener Gymnasiastin eine Typisierungsaktion organisierte

Köthen - In der Mehrzweckhalle des Ludwigsgymnasiums in Köthen sieht es ein wenig anders aus als sonst. Wo Schüler sonst für ihr Mittagessen anstehen, warten sie nun, um sich an einen von zehn Tischen setzen zu können.
Was sie dort machen wollen? Eine Speichelprobe abgeben, um möglicherweise Christof Zobel aus Ermsleben das Leben zu retten. Der 23-jährige Student erhielt im Oktober die schreckliche Diagnose Blutkrebs. Seitdem wird in vielen Orten Sachsen-Anhalts für eine Typisierungsaktion geworben, um einen möglichen Stammzellenspender für ihn zu finden.
Nadine Koch, Schülerin der zwölften Klasse am Ludwigsgymnasium Köthen, ist die Organisatorin der Aktion in der Bachstadt. „Ich kenne Christof nicht, habe nur über soziale Netzwerke mit ihm Kontakt gehabt“, sagt sie. Als regelmäßige Patientin am Klinikum in Halle habe sie Kontakt zu Kindern, die an Blutkrebs erkrankt sind und kenne daher das Hauptproblem - einen Spender zu finden.
„Ich hatte schon lange die Idee, eine Typisierungsaktion zu organisieren“
„Ich hatte schon lange die Idee, eine Typisierungsaktion zu organisieren. Als ich dann von Christofs Fall und anderen Typisierungsaktionen, beispielsweise in Aschersleben, hörte, fragte ich bei der DKMS an. Die haben sich dann um alles weitere gekümmert und heute alles mitgebracht“, beschreibt sie.
Vincent Cordier vertritt die DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) in Köthen und ist am Morgen extra aus Berlin angereist. Der 24-jährige Student, der das neben seinem Studium macht, hat die Gymnasiasten vor der Typisierungsaktion in einem Informationsvortrag über Blutkrebs aufgeklärt. Und aufzuklären gibt es einiges (siehe „Die Krankheit“). „Erfahrungsgemäß ist die Motivation immer größer, wenn man ein Gesicht, einen Fall vor Augen hat“, erklärt er.
Bodo Kreutzmann, der Schulleiter des Ludwigsgymnasiums, ist begeistert. „Das ist eine tolle organisatorische Leistung von Nadine Koch.“ Als sie mit der Idee zu ihm kam, war er sofort überzeugt. „Mein Sohn ist selbst Spender, daher ist mir das Thema nicht unbekannt“, erklärt er. „Aber selbst wenn dem nicht so wäre, hätte ich die Schüler unterstützt.“ Die Organisation der Aktion laufe reibungslos.
Im Oktober 2019 erhielt Bodo Kreutzmann einen überraschenden Anruf aus der DKMS-Zentrale in Tübingen
Sein Sohn, Felix Kreutzmann, steht neben ihm. Zum ersten Mal hatte er in Magdeburg ein DKMS-Plakat gesehen und sich bald darauf gemeinsam mit seiner Frau testen lassen. „Dafür haben wir uns eines der Selbsttest-Pakete nach Hause liefern lassen“, sagt er. Das war 2015. Im Oktober 2019 erhielt er dann einen überraschenden Anruf aus der DKMS-Zentrale in Tübingen - er käme möglicherweise als Spender infrage. „Da wurde mir direkt mulmig“, gesteht der hochgewachsene junge Mann. Natürlich sagte er gleich zu.
Der nächste Schritt war der Gesundheitscheck - er wurde in einem Nürnberger Krankenhaus auf „alles getestet“. Nachdem er als rundum gesund eingestuft wurde, wurde er am 19. Dezember 2019 operiert. Unter Vollnarkose wurden ihm 900 Milliliter Knochenmark aus dem Beckenkamm entnommen. Die Regenerationszeit dauerte vier Wochen, in den ersten tagen sei er „super platt“ gewesen, zu Silvester war dann alles wieder in Ordnung.
Strom der möglichen Spender im Ludwigsgymnasium reißt nicht ab
Wem konnte er denn mit seiner Spende helfen? „Das weiß ich nicht. Die Empfängerin ist ein Mädchen aus den Niederlanden, mehr darf ich nicht erfahren.“ Der Grund für diese spezielle Regelung sei ein niederländisches Gesetz, das den Kontakt zu Minderjährigen nur anonymisiert erlaubt, erklärt Felix Kreutzmann weiter. Er würde sofort wieder spenden, sei nun jedoch für die Dauer von zwei Jahren für das Mädchen geblockt. Es kann sein, dass er nochmals spenden müsse, das hänge von ihrem Heilungserfolg ab.
Währenddessen reißt der Strom der möglichen Spender im Ludwigsgymnasium nicht ab. „Ich bin sehr froh, dass es so gut angenommen wird“, sagt eine sichtlich erleichterte Nadine Koch. (mz)
Weitere Informationen finden Interessierte im Internet unter der Adresse www.dkms.de.
Alle 15 Minuten erkrankt nach Angaben der DKMS in Deutschland ein Mensch an Leukämie. Das ist eine Krebserkrankung des blutbildenden Systems, also im Wesentlichen des Knochenmarks und des Lymphsystems. Leukämie ist laut Deutscher Krebsgesellschaft bei Kindern unter 15 Jahren die häufigste Krebserkrankung.
Jährlich wird bei etwa 600 Kindern diese Diagnose gestellt. Das ist mehr als ein Drittel aller Krebsfälle. Wer gesund und zwischen 17 und 55 Jahre alt ist, kann sich registrieren lassen. Bei einer Typisierung werden den potenziellen Knochenmarkspendern mit Wattestäbchen Abstriche von der Wangenschleimhaut genommen. Nach der Registrierung speichert die DKMS die Untersuchungsergebnisse des Wangenabstrichs in der Datei und stellt diese anonymisiert für den weltweiten Patientensuchlauf zur Verfügung.