Geführt von drei Frauen Geführt von drei Frauen: Köthens erste private Tankstelle nach Wende gibt es immer noch

Köthen - Als Ellen Schmidt am 23. August 1993 zum ersten Mal mit ihrem blauen Trabi zur Arbeit an Köthens erster privater Tankstelle knatterte, da konnte sie nicht ahnen, dass die Begeisterung für Sprit, Öl und das freundliche Gespräch mit den Kunden mehr als eine Generation überdauern würde. „Ich kann mir nichts anderes vorstellen“, sagt die 56-jährige Köthenerin, die den Wandel an der gelb-blauen Jet-Tankstelle vom ersten Tag an vor 26 Jahren erlebt hat.
Gemeinsam mit Dolores Böttcher, ihrer Kollegin aus den Anfangstagen, fegt sie an diesem kühlen und dunklen Abend das Pflaster zwischen Zapfsäulen. Der Shop, wie man neudeutsch sagt, ist gerade eingeräumt. Luisa Peine, die Chefin, die man offiziell Tankstellen-Unternehmerin nennen dürfte, bespricht, wie es um die Bestände steht.
Die Kaffeemaschine brüht einen späten Muntermacher auf, die letzten Handgriffe sitzen und nach einigen hunderttausend Euro, die vom Unternehmen mit Sitz in Hamburg für die Modernisierung der familiengeführten Tankstelle in der Leipziger Straße/Ecke Bahnhofstraße investiert worden sind, ist wieder alles runderneuert, wie schon einige Mal in den bewegten Jahrzehnten zuvor.
„Früher sind wir hier am Galgenberg im Winter mit den Schlitten runtergeflitzt, heute ist das mein Arbeitsplatz“
„Früher sind wir hier am Galgenberg im Winter mit den Schlitten runtergeflitzt, heute ist das mein Arbeitsplatz. Ich bin zufrieden hier, und glücklich. Kein Tag ist wie der andere, das macht den Job so interessant“, sagt Dolores Böttcher und lächelt dabei. Tankstelle, das ist eine Leidenschaft, von der Chefin Luisa Peine vor einigen Jahren noch nicht wusste, dass sie selbst einmal davon ergriffen würde.
Die 28-Jährige wollte eigentlich Journalistin werden, studierte Sozialwissenschaften. Da betrieb ihr Vater schon eine Tankstelle, im Dezember 2014 kam die in der Leipziger Straße dazu, nachdem Martin John, der das Unternehmen für Benzin, Diesel, Öl, Bier und Zigaretten 1993 aufgebaut hatte, die Zapfpistole an die Säule gehängt hat, um in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen.
Luisa Peine ist seit dem 1. Januar 2019 die Chefin im Traditionsbetrieb, das Handwerk hat sie in der Hallenser Filiale gelernt, und es sei, sagt sie, vor allem auch der Zusammenhalt in der Gemeinschaft der Beschäftigten, wie Dolores Böttcher und Ellen Schmidt seit mehr als 25 Jahren welche sind. „Das ist ein entscheidender Teil meiner täglichen Arbeit. Mit einem guten Team macht es mehr Spaß.“
Zehnmal am Tag ändern sich die Preise für den Sprit
Inzwischen tanken Generationen an der Leipziger Straße. „Wer als Kind mit den Eltern in den 1990er Jahren kam und sich aufs Eis gefreut hat, sitzt jetzt selbst am Steuer und tankt hier voll“, sagt Ellen Schmidt. „Man merkt dann, wie die Zeit vergeht, und dass man selbst nicht jünger wird“, lacht sie.
Zehnmal am Tag, wie Dolores Böttcher sagt, ändern sich die Preise für den Sprit. Gemisch ist nicht mehr im Angebot, das muss man sich als Liebhaber des Zweitakters mischen. Einige Kunden machen das auch noch, aber die alten Trabis und Wartburgs werden seltener, sie sind nur noch eine Liebhaberei, nicht mehr, eine Erinnerung an die alten Zeiten.
Die Köthener Kunden, die meisten treue Stamm-Tanker, wie Ellen Schmidt weiß, sind bestens informiert, wie der Tarif für den Sprit sich entwickelt. Gibt es einen Tipp von den Profis, wann es am günstigsten ist? „Das kann man heutzutage nicht mehr sagen“, meint Luisa Peine. Sie weiß, wann es am teuersten ist, nämlich am Montagmorgen nach sieben Uhr. Wer’s günstiger will, sollte sich am Sonntagabend zur besten Sendezeit auf den Weg machen, wissen die Expertinnen von der Leipziger Straße.
Benzin, Öl, Brötchen, Snacks, Zigaretten und Süßigkeiten
Ab fünf Uhr morgens ist Betrieb an der Leipziger Straße, die Frühschicht startet um vier Uhr, damit pünktlich eröffnet werden kann. Um 23 Uhr ist Feierabend, dann versiegt der Strom des Kraftstoffes und für sechs Stunden wird es ruhiger zwischen Leipziger- und Bahnhofstraße.
Die drei von der Tankstelle, die das persönliche Gespräch mit den vielen Stammkunden so lieben, haben meistens Gutes erlebt im Geschäft am Rande der Innenstadt. „Überfallen worden sind wir Gott sei Dank noch nie“, sagen Dolores Böttcher und Ellen Schmidt.
Das sollte auch die nächsten Jahre so bleiben, noch 15, vielleicht 20 Jahre zwischen Benzin, Öl, Brötchen, Snacks, Zigaretten und Süßigkeiten liegen vor dem Duo, das hier seit der ersten Stunde arbeitet. Chefin Luisa Peine hat noch ein paar Jahrzehnte mehr vor sich. „In dem Beruf freue ich mich auf die Zeit“, sagt sie. (mz)