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Flugzeugbergung bei Riesdorf Flugzeugbergung bei Riesdorf: Ausgrabung kurzfristig gescheitert

Von Ute Hartling-Lieblang 26.07.2013, 22:58
Ein Flugzeug der Marke Focke Wulf 190 A-5.
Ein Flugzeug der Marke Focke Wulf 190 A-5. Bechtermünz Verlag Lizenz

riesdorf/bernburg/MZ - Der Bergungstrupp stand schon in den Startlöchern. Aus einer Kiesgrube bei Riesdorf im Landkreis Anhalt-Bitterfeld sollte am 12. Juli ein Jagdflugzeug vom Typ Focke-Wulf 190 ans Tageslicht befördert werden. Seit rund 70 Jahren liegt es dort nach einer Notlandung des Piloten im Jahr 1945 verschüttet. Das ist überliefert. Vertreter des Arbeitskreises Junkerswerke und Fliegerhorst in Bernburg und des Fördervereins Technikmuseum „Hugo Junkers“ in Dessau, wollten die Bergung in einer gemeinsamen Aktion in Angriff nehmen. Doch der Termin wurde kurzfristig abgeblasen, weil man befürchtete, dass das Flugzeug nach der Bergung nicht in das Dessauer Museum überführt werden darf.

Der Grund dafür liegt in der deutschen Bürokratie. So sehen es jedenfalls die Beteiligten. In letzter Instanz zuständig ist nämlich eine Bundesbehörde in Koblenz, die Direktion für „Flugzeugbergung und bewegliche Reichsgüter“, die wiederum zur Bundesanstalt für Immobilien (BImA) gehört. Die Zuständigen dort hätten zwar aller Voraussicht nach die Bergung nicht verhindert, schildert der Dessauer Bernd Willing, aber das Flugzeug wäre in das Eigentum des Bundes übergegangen, der Rechtsnachfolger des Dritten Reiches ist. Willing ist Mitglied der AG Bodendenkmalpflege in Dessau und berät den Förderverein in technischen Fragen.

„Auf den Kosten wären wir dann sitzen geblieben“, schlussfolgert Willing, der den Aufwand für die Bergung auf rund 1?000 Euro schätzt. Ganz abgesehen vom ehrenamtlichen Engagement der sieben Helfer, unter denen drei Fachleute sind, die sich um die Zerlegung der FW 190 kümmern wollten. „Weil wir das alles nicht an einem Tag geschafft hätten, wäre auch noch eine Nachtwache notwendig gewesen“, erklärt Willing, der über die rechtlichen und bürokratischen Vorschriften nur den Kopf schütteln kann.

Doch zum Ausgangspunkt. „Es war am 15. April 1945, als amerikanische Truppen den Fliegerhorst in Köthen besetzten, während andere Einheiten südlich an der Stadt vorbei über Arensdorf, Prosigk, Stumsdorf und Zörbig nach Bitterfeld vorstießen“, hat Hans Menzel aus Köthen in Erfahrung gebracht. Menzel beschäftigt sich sehr intensiv mit der Geschichte des Flugwesens in Köthen und des Fliegerhorstes in den Jahren zwischen 1923 und 1945.

Damals sei der deutsche Jäger mit eingezogenem Fahrwerk zur Notlandung gezwungen gewesen. „Es war keine klassische Bauchlandung“, hat Menzel recherchiert, dass es dem Piloten noch gelungen sei, sich aus dem Flugzeug zu retten, bevor die Amerikaner die Maschine einkreisten. Vier Wochen später war der Krieg zu Ende. Das Jagdflugzeug auf dem Feld bei Riesdorf sei für die Dorfkinder zum beliebten Spielplatz geworden. Um zu verhindern, dass sich jemand verletzt und weil die Bauern das Flugzeug bei der Feldbestellung störte, wurde es irgendwann in die Kiesgrube geschleppt und später zugeschüttet.

Schon einmal hat sich der heute 85-jährige Menzel für die Bergung des Riesdorfer Jägers stark gemacht. Vor etwa sechs Jahren konnte er den Berliner Professor und Flugzeugarchäologen, Holger Steinle, damals Leiter der Luft- und Raumfahrtabteilung des Deutschen Technikmuseums Berlin, dafür gewinnen. Steinle reist um die Welt, um historische Flugzeuge aufzuspüren, zu bergen und zu restaurieren. Doch die Grabungsgenehmigung sei ihnen von der damaligen Riesdorfer Bürgermeisterin Anke Schadewald verwehrt worden, ärgert sich Menzel noch heute.

Wieder neue Hoffnung schöpfte der Köthener, als er Anfang Juni dieses Jahres Kontakt mit dem Dessauer Förderverein aufnahm. Deren Vertreter waren von der Aktion Feuer und Flamme. Auch der derzeitige Riesdorfer Ortsbürgermeister Olaf Berger und das Ordnungsamt der Stadt Südliches Anhalt legten den Akteuren keine Steine in den Weg. Lediglich vom Landesamt für Denkmalpflege in Halle kam der Hinweis, dass die Bergung der Genehmigung durch das zuständige Referat beim BImA bedarf, schildert Willing enttäuscht den Ablauf. Sieben Jahrzehnte sei das Flugzeug verschüttet, und jetzt, wo sich ein Museum dafür interessiere, rege sich der bundesdeutsche Staat, der sich als Eigentümer bisher ja auch nicht darum geschert habe, ob das Flugzeug inzwischen verrottet.

Seit 1953 sei es generell untersagt, sich ehemalige militärische Ausrüstungsgegenstände anzueignen, schildert Willing die Gesetzeslage, die er für längst überholt hält. „Geht es dem Bund etwa um den materiellen Wert?“, fragt er. Zumindest treffe kein anderes Argument, das gegen eine Bergung spricht, zu, meint der Dessauer: Eine Störung der Totenruhe liege nicht vor, der Pilot sei unverletzt ausgestiegen. Das Flugzeug liege an keiner kampfmittelverdächtigen Absturzstelle, es sei weder ein Bodendenkmal noch ein geschützten „Technisches Denkmal“.

Nachdem sie mit den Vorwürfen des Vereins konfrontiert wurde, rät die BImA laut Pressesprecher Thorsten Grützner: „Zur Verringerung des bestehenden Kostenrisikos“, sollte sich der Verein im Vorfeld bei der Bundessammlung nach einem möglichen Interesse an dem Kriegsgerät informieren. So lasse sich bereits im Vorfeld klären, ob dort Bedarf beseht. Dem Vertreter des Fördervereins Technikmuseum Hugo Junkers sei das Verfahren ausführlich geschildert worden, so Thorsten Grützner. „Ein schriftlicher Antrag auf Bergung ging entgegen der Ankündigung des Vereins jedoch bei der zuständigen Hauptstelle der Bundesanstalt in Koblenz bisher nicht ein.“